Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkendes Erlöschen der Schenkungsteuer wegen Anrechnung von Zuwendungen auf einen Zugewinnausgleich

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG erlischt die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn unentgeltliche Zuwendungen bei der Berechnung des nach § 5 Abs. 1 ErbStG steuerfreien fiktiven Zugewinnausgleichs berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung kann eine Schenkung als Vorausempfang nach § 1380 BGB anzurechnen sein.

 

Normenkette

ErbStG § 5 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2; BGB § 1371 Abs. 2, § 1380; ErbStG § 3

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das rückwirkende Erlöschen der Schenkungsteuer auf den 08.06.2001 nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wegen der Anrechnung von Zuwendungen auf einen Zugewinnausgleichsanspruch der Klägerin.

Die Klägerin lebte mit ihrem am ….01.2010 verstorbenen Ehemann, A1, in dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Das Vermögen der Klägerin hatte im Zeitpunkt der Eheschließung einen Wert von 186.911 €, im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes einen Wert von 13.360.217 €.

Ihr verstorbener Ehemann verfügte im Zeitpunkt der Eheschließung über ein Vermögen im Wert von 9.345.550 € und im Zeitpunkt seines Todes über ein Vermögen im Wert von 18.169.550 €. Diese Werte sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

Zu seinen Lebzeiten hatte A1 der Klägerin Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 12.432.334 € ohne Gegenleistung zugewendet:

Datum

Wert der Zuwendung

31.12.1999

186.932 €

08.06.2001

308.055 €

13.08.2003

251.544 €

12.06.2006

6.252.423 €

31.05.2008

5.433.381 €

Summe gerundet

12.432.335 €

Für die hier streitgegenständliche Schenkung vom 08.06.2001 setzte der Beklagte auf der Grundlage der am 01.12.2011 abgegebenen Schenkungssteuererklärung mit Bescheid vom 06.08.2012 unter Berücksichtigung des Vorerwerbes vom 31.12.1999 sowie eines Freibetrages nach § 16 ErbStG i.H.v. 600.000 DM die Schenkungssteuer auf 20.702 € fest (Steuernummer 1).

Hiergegen legte die Klägerin am 24.08.2012 Einspruch ein. Mit diesem machte sie geltend, ihr Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber A1 i.H.v. 10.619.457 € führe dazu, dass die Vorschenkungen, die unter die Anrechnung auf den Zugewinnausgleich fallen würden, nicht als Erwerb von Todes wegen gelten würden. Die Schenkungssteuer würde damit rückwirkend erlöschen.

Mit dem nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 und § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 17.10.2012, den er erstmals mit einem Vorbehalt der Nachprüfung versah, setzte der Beklagte die Schenkungssteuer auf 0 € herab. Den Wert des Erwerbs vom 08.06.2001 berücksichtigte er mit 0 €.

Unter dem 06.10.2014 erließ er einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid, der inhaltlich dem Erstbescheid vom 06.08.2012 entsprach. Hierin wurde der Nachprüfungsvorbehalt aufgehoben.

Mit weiterem Einspruch vom 07.11.2014 macht die Klägerin erneut geltend, dass der auf Basis des § 5 Abs. 1 ErbStG fiktiv zu ermittelnde Zugewinnausgleichsanspruch steuerfrei zu stellen sei. Dies erfolge bei einer Anrechnung von Vorschenkungen auf den Zugewinnausgleichsanspruch über die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG, nach der für die angerechneten Beträge die Schenkungssteuer mit Wirkung für die Vergangenheit erlösche.

Durch Entscheidung vom 04.02.2016 wies der Beklagte den Einspruch zurück.

Er vertrat die Auffassung, dass ein Fall des § 29 ErbStG nicht vorliege. Diese Norm setze voraus, dass für Zwecke des § 5 ErbStG unentgeltliche Zuwendungen gem. § 1380 BGB auf die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten – tatsächlich und nicht nur fiktiv – angerechnet worden seien. Da vorliegend der Zugewinn der Klägerin höher sei als der ihres verstorbenen Ehemannes, habe die Klägerin von vornherein keinen Zugewinnausgleichsanspruch. Wenn ein solcher Zugewinnausgleichsanspruch bereits dem Grunde nach nicht bestehe, könnten auch keine Schenkungen auf diesen angerechnet werden. Eine Anrechnung nach § 1380 BGB komme überhaupt erst in Betracht, wenn eine Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten bestehe, wobei es keine Rolle spiele wie nach § 1380 Abs. 2 BGB die Ausgleichsforderung weiter berechnet werde; die dort vorgenommene Präzisierung der Rechenschritte sei erst von Bedeutung, wenn dem überlebenden Ehegatten überhaupt eine Ausgleichsforderung zustehe.

Mit ihrer Klage vom 26.02.2016 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Steuerfreistellung der Schenkung vom 08.06.2001 nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG weiter.

Bei wortlautgetreuer Anwendung der § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 iVm. § 5 Abs. 1 ErbStG seien die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers i.H.v. 10.257.681 € steuerfrei.

Der BGH verlange in Fällen wie dem Vorliegenden zum einen eine Berechnung der Zugewinne ohne Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB und zum anderen eine zweistufige Berechnung im Rahmen des § 1380 BGB. Bei der zweistufigen Berechnung sei zunächst gemäß dem Wortlaut des § 1380 BGB die Zugewinnausgleichsforderung unter Außerachtlassung der Zuwendung zu ermitteln. D.h., das zugewandte Vermö...

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