Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatsächliche Vermutung für eine wesentliche Verbesserung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Es spricht eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung für eine wesentliche Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar im Anschluss an den Erwerb das Siebenfache des Gebäudekaufpreises für Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an allen vom Bundesfinanzhof für entscheidend gehaltenen Gewerken (Heizung-, Sanitär- und Elektroinstallation und Fenster) aufwendet.

2) In einem solchen Fall ist von einem Standardsprung auszugehen, ohne dass eine ins Einzelne gehende Untersuchung notwendig ist, an welchen Gewerken die Maßnahmen zu einem Standardsprung geführt haben.

 

Normenkette

HGB § 255

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.09.2009; Aktenzeichen IX R 21/08)

BFH (Urteil vom 22.09.2009; Aktenzeichen IX R 21/08)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen auf ein vermietetes Wohngebäude zu sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen geführt haben oder als Herstellungskosten nur über Absetzungen für Abnutzung zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin erwarb mit notariellem beurkundetem Kaufvertrag vom 19.07.2002 die Mehrfamilienhäuser F-Str./W-Str. (Baujahr 1958) sowie sieben Wellblechgaragen zum Kaufpreis von 107.000,– EUR. Von dem Kaufpreis entfallen nach Angaben der Klägerin, die der Beklagte übernommen hat, 67,2% auf den Grund und Boden und 32,8% auf die Gebäude (= ca. 36.600 EUR). In der Einkommensteuererklärung erklärte sie aus diesen Objekten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtungen in Höhe von 9.849,– EUR sowie Werbungskosten in Höhe von 167.894,– EUR. Hierin enthalten waren 157.731,– direkt abgezogene Erhaltungsaufwendungen und die Abschreibungsbemessungsgrundlage erhöhende Bauaufwendungen in Höhe von 122.136,– EUR. Die gesamten Aufwendungen für die unmittelbar im Anschluss an den Erwerb vorgenommenen Baumaßnahmen betrugen 259.871,27 EUR.

Die Gebäude waren vor der Instandsetzung zum Teil vermietet. Über den Zustand der Gebäude vor den Instandsetzungsarbeiten führt das Gutachten des Dipl.-Ing. S u.a. aus:

„Elektro- und Sanitärinstallation, Heizung und Warmwasserversorgung

Elektroinstallation:

einfache Ausstattung, technisch überaltert, teilweise auf Putz verlegt; Klingelanlage

Heizung:

Einzelöfen, Mehrraum-Warmluft-Kachelofen, mit festen Brennstoffen (Kohle);

MFH X-Straße:

zwei Wohnungen mit je einer Gas- und Kohleetagenheizung (einfache Stahlradiatoren).

Warmwasserversorgung: überwiegend, Boiler (elektro)

Sanitäre Installation:

einfache Wasser- und Abwasserinstallation, Aufputz

Bad:

freistehende Wanne, WC, Waschbecken; überalterte Ausstattung und Qualität

Küchenausstattung:

Kohlebeistellherd; Wasserzapfstelle

Allgemeinbeurteilung

Die 1958 errichteten Mehrfamilienhäuser sind mit den damals zur Verfügung stehenden Materialien und einfacher Ausstattung wie Holzkastenfenster, Einzelofenheizung auf Kohlebasis, im Bad freistehender Wanne und Kohlebadeofen, in der Küche mit Kohlebeistellherd und Wasserzapfstelle kalt versehen. … Damit sind die MFH nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Die Tragekonstruktion ist noch stabil, der Wohnungszustand entspricht noch heutigen Ansprüchen, das Grundstück ist in einer ansprechenden Umgebung gelegen. Das sind grundlegende Voraussetzungen für eine gute Vermietbarkeit nach einer Komplettsanierung der Wohngebäude.”

Die Klägerin ließ im Anschluss an den Erwerb folgende Arbeiten ausführen:

Das Dach wurde instandgesetzt. Im Sanitärbereich wurden die vorhandenen Sanitäranlagen demontiert, entsorgt und neue Sanitäreinrichtungen installiert. In Küchen und Bädern wurden Fliesen und Putz abgehackt, entsorgt, Wand und Boden abgedichtet und neu gefliest. Türen und Fenster wurden komplett durch neue ersetzt. Die vorhandene Elektroinstallation wurde dem heutigen Wohnanspruch angepasst. Die Kelleraußenwand wurde trockengelegt und Sanierputz im Außen- und Innenbereich aufgetragen. Ofenheizung wurde durch Gaszentralheizung ersetzt. Balkone wurden neu angebaut. Wegen der Aufwendungen im Einzelnen wird auf die Aufstellungen vom 28.04.2003 (Blatt 10 und 11 der Gerichtsakten) Bezug genommen.

Der Beklagte berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid vom 05.08.2003 die Bauaufwendungen insgesamt als nachträgliche Herstellungskosten.

Die Kläger legten rechtzeitig gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens beantragten sie, die Bauaufwendungen entgegen der ursprünglichen Aufteilung insgesamt den direkt abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen zuzuordnen. Der Beklagte folgte dem Einspruch teilweise und erkannte direkt abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 87.045,– EUR an. Die Abschreibungsbemessungsgrundlage reduzierte sich entsprechend. In dem Änderungsbescheid vom 10. Februar 2004 wurde daraufhin die Einkommensteuer auf 0,– EUR festgesetzt.

Gleichzeitig erging der Bescheid, dass kein verbleibender Verlustabzug zum 31. Dezember 2002 festzustellen sei.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein und b...

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