Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Verpflichtung zur Abgabe einer zusammenfassenden Meldung durch einen Rechtsanwalt; anwaltliche Schweigepflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der gebotenen Güterabwägung zwischen anwaltlicher Schweigepflicht und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung kann der Schutz des Rechtsanwalts und seiner Mandanten durch das Steuergeheimnis nicht unberücksichtigt bleiben. § 30 AO bezweckt neben dem Schutz des privaten Geheimhaltungsinteresses des Stpfl. aber auch, durch besonderen Vertrauensschutz in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung der steuerlich erheblichen Sachverhalte zu fördern und damit letztlich eine gesetzmäßige, insbesondere gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.

2. Diesen im Rechtsstaatsprinzip und im Gleichbehandlungsgebot verankerten öffentlichen Interessen, die über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens hinausgehen, kommen jedenfalls in Bezug auf die Offenbarungspflichten des § 18a UStG Vorrang vor der anwaltlichen Schweigepflicht zu.

 

Normenkette

UStG § 18a; AO § 30

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.09.2017; Aktenzeichen XI R 15/15)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zur Abgabe einer zusammenfassenden Meldung für das II. Quartal 2010 verpflichtet ist. Dabei erscheint die Mitteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummern und der jeweiligen Bemessungsgrundlagen der Leistungsempfänger im Hinblick auf die grundsätzliche Schweigepflicht der Klägerin problematisch.

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie betreut u.a. Mandanten, die im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, und erbrachte in diesem Zusammenhang im streitigen Meldezeitraum im Gemeinschaftsgebiet steuerbare sonstige Leistungen aus anwaltlicher Tätigkeit gemäß § 3a Abs. 2 UStG. Sie reichte diesbezüglich für das I. Quartal 2010 eine zusammenfassende Meldung gemäß § 18a UStG ein.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 wurde sie vom Beklagten an die Abgabe der zusammenfassenden Meldung für das II. Quartal 2010 erinnert.

Hiergegen erhob die Klägerin fristgemäß Sprungklage, der der Beklagte zustimmte.

Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte zu Unrecht die Abgabe einer zusammenfassenden Meldung für das II. Quartal 2010 fordere.

Zu den Anträgen 1) und 2)

Sie könne als Rechtsanwaltsgesellschaft gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 3 b) AO die Weitergabe solcher Informationen verweigern, die ihr in ihrer anwaltlichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden seien. Die Verschwiegenheitspflicht beziehe sich auch auf die Mandatsbeziehung als solche.

Der Rechtsanwalt sei gemäß §§ 43a Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und 2 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ein Verstoß hiergegen sei gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbewehrt. Die strikte Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sei die unerlässliche Basis für das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant und somit auch Voraussetzung für die Erfüllung der Aufgaben des Rechtsanwalts als berufener unabhängiger Berater und Vertreter seines Mandanten. Vor dem Hintergrund des hohen Stellenwertes der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht müsse sie, die Klägerin, sich bei der Abgabe der zusammenfassenden Meldung bezüglich solcher Informationen, die ihr in ihrer anwaltlichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt gegeben worden seien, auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 b) AO berufen.

Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Regelung des § 18a UStG eine Kontrolle des Umsatzsteueraufkommens im europäischen Binnenmarkt ermöglichen solle. Der Rechtsanwalt sei als berufener Vertreter seines Mandanten zu einer Abwägung von dessen Interessen gegen die Interessen Dritter bzw. gegen öffentliche Interessen weder berechtigt noch verpflichtet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei sie auch nicht aufgrund einer angeblichen konkludenten Einwilligung ihrer Mandanten gemäß § 102 Abs. 3 AO von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden. Insbesondere könne in der bloßen Mitteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer im Zuge der Anbahnung des Mandatsverhältnisses und der Zustimmung zur Verwendung der Umsatzsteueridentifikationsnummer im Rahmen der Rechnungsstellung keine konkludente Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung gesehen werden.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BFH, wonach ein Rechtsanwalt die gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG erforderlichen Angaben zu Teilnehmern und Anlass einer Bewirtung nicht unter Berufung auf die anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung verweigern könne. Die Bewirtung sei zum einen einzelfallbezogen und zum anderen sei die Aussagekraft eines Bewirtungsbeleges gering.

Entgegen der Auffassung des Beklagten würde sie, die Klägerin, neben der Rechtsberatung keine anderen sonstigen Leistungen erbringen.

Vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant habe auch der BFH die Verschwieg...

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