rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstlosigkeit eines eingetragenen Vereins

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Selbstlos geschieht eine Förderung der Allgemeinheit, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke, verfolgt werden.

2) Eigenwirtschaftliche Zwecke werden nicht nur verfolgt, wenn es um die wirtschaftlichen Interessen und Vorteile der Körperschaft selbst geht. Eine Körperschaft handelt auch dann nicht selbstlos, wenn sie in erster Linie unmittelbar oder mittelbar die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrnimmt, insbesondere wenn sie im Erwerbsinteresse ihrer Mitglieder oder zum Zweck der materiellen (gegenseitigen) Selbsthilfe gegründet worden ist.

3) Wirtschaftliche Vorteile der Mitglieder oder ihnen nahestehender Personen können auch darin bestehen, dass diesen Ausgaben erspart werden.

4) Nicht jeder Nutzen für die Mitglieder schadet. Die Selbstlosigkeit scheidet erst aus, wenn der wirtschaftliche Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt.

5) Ein Verein ist dann nicht selbstlos, wenn es ihm vorrangig darum geht, dem wesentlichen Teil seiner Mitglieder den ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG für die Ancharterung von Flugzeugen zu vermitteln und ihnen somit Ausgaben zu ersparen.

 

Normenkette

KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; UStG § 12 Abs. 2, 2 Nr. 8a; AO 1977 § 55 Abs. 1; KStG § 5 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Sein satzungsmäßiger Zweck ist die leibliche und seelische Erziehung seiner Mitglieder durch Pflege und Förderung des Luftsports. Nach der in den Streitjahren geltenden Fassung der Satzung soll der Vereinszweck dadurch verwirklicht werden, dass den Mitgliedern ausreichend Möglichkeit zur Ausübung der aktiven Fliegerei gegeben wird.

Für die Jahre 1992 bis 1994 wurde vom Beklagten die Gemeinnützigkeit des Klägers durch Erlaß entsprechender Freistellungsbescheide für die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer anerkannt.

Aus den vom Kläger 1998 vorgelegten Vorstands- und Tätigkeitsberichten für die Jahre 1995 und 1996 ergibt sich, dass die Vereinsaktivitäten 1995 im Wesentlichen darin bestanden,

  • den Mitgliedern erfahrene Flugzeugführer als „sog Sicherheitspiloten” (unentgeltlich) zur Verfügung zu stellen, durch die diese ihre Flugkenntnisse auffrischen konnten,
  • ein Fortbildungsseminar „Navigation mittels GPS” durchzuführen und
  • den Mitgliedern zahlreiche Flugtouren (u.a. nach Malaga, Paris, London, Rom und Stockholm) anzubieten.

1996 wurden ebenfalls zahlreiche Touren geplant. Zudem wurden vom Kläger drei Seminare durchgeführt („Besondere Flugzustände”, Wiederholungsveranstaltung „GPS-Navigation” sowie „Luftraumstruktur und neue Sprechfunkverfahren”), die jeweils von 12 bis 30 Mitgliedern besucht wurden.

Nach einem Rundschreiben des Klägers vom Januar 1997 sollten in 1997 u.a. wiederum mehrere Flugtouren und Seminare („Fliegen im Winter”, „GPS, Hilfe oder Gefahr?”, „Luftraumstruktur und Änderungen der Sprechfunkverfahren”) stattfinden. Außerdem standen ein Dia- und Videovortrag sowie mehrere gesellige Abende auf dem Programm.

Der Kläger besitzt keine eigenen Flugzeuge. Er verfolgt seinen Vereinszweck im Wesentlichen dadurch, dass er bei der Fa. X.-GmbH Flugzeuge chartert, um diese an seine Mitglieder zum gleichen Preis weiter zu verchartern. Die Fa X.-GmbH ist ein gewerbliches Charterunternehmen mit Flugschule am Flugplatz N. Außer der Fa. X.-GmbH gibt es am Flughafen N. kein weiteres Charterunternehmen. Die nächsten Unternehmen dieser Art befinden sich in O., P. und Q. Neben dem Kläger gibt es am Flughafen N. noch einen weiteren Motorflugverein und acht Segelflugvereine. Der Motorflugverein besitzt vier eigene Flugzeuge. Die Segelflugvereine haben ebenfalls eigene Motorflugzeuge.

Gesellschafter-Geschäftsführer der Fa. X.-GmbH waren in den Streitjahren die Herren AL., BL. und CL. CL war vom 18.8.1993 bis zum 7.3. 1995 Vorsitzender des Klägers. BL bekleidete ab dem 7.3.1995 das Amt des 2. Vorsitzenden. DL, die Ehefrau von CL, war in den Streitjahren Schatzmeisterin des Klägers.

Die Fa. X.-GmbH berechnete dem Kläger 15 % Umsatzsteuer, während der Kläger bei der Weitervercharterung seinen Mitgliedern unter Anwendung von § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG lediglich den ermäßigten Steuersatz von 7% in Rechnung stellte. Hierdurch ergaben sich regelmäßig Vorsteuerüberschüsse zugunsten des Klägers.

Wenn ein Mitglied des Klägers ein Flugzeug chartern wollte, wandte es sich unter Hinweis auf seine Vereinsmitgliedschaft unmittelbar an die Fa. X.-GmbH. In jedem Einzelfall wurde dann über einen Mitarbeiter der Fa. X.-GmbH – gleichzeitig – jeweils ein mündlicher Vertrag zwischen dem Kläger und dem Mitglied sowie zwischen dem Kläger und der Fa. X.-GmbH abgeschlossen. Abgerechnet wurde sodann von der Fa. X.-GmbH gegenüber dem Kläger in sog. Sammelrechnungen, die die Flüge mehrerer Mitglieder innerhalb eines bestimmten Zeitraums betrafen, und vom Kläger gegenüber jedem einzelnen Mitglied. Die ...

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