Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme des Schenkers als Zweitschuldner

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber dem Schenker hat erst dann zu erfolgen, wenn die Inanspruchnahme des Beschenkten erfolglos geblieben ist oder als nicht zweckmäßig erscheint.

2) Der Schenker kann auch dann noch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, wenn nach einer zwischenzeitlichen Herabsetzung und Erstattung einer ursprünglich festgesetzten und gezahlten Schenkungsteuer nach § 29 ErbStG anschließend eine erneute Festsetzung auf den ursprünglichen Steuerbetrag erfolgt.

 

Normenkette

ErbStG § 29; AO §§ 44, 47; ErbStG § 20 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.02.2012; Aktenzeichen II R 19/10)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Klägerin zu Recht als Schenkerin und damit „Zweitschuldnerin” im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin freundete sich etwa Mitte der 90iger Jahre mit der Beschenkten, Frau K, an. Dabei entwickelte sich ein enges freundschaftliches Vertrauensverhältnis.

Nach ihrer Scheidung und aufgrund einer festgestellten Krebserkrankung verfiel Frau K zunehmend in eine depressive und pessimistische Stimmung, da sie sich Sorge um ihre Zukunft machte und unsicher war, wie sie ihre Existenz als Heilpraktikerin langfristig finanziell sichern könne. Aufgrund des bestehenden engen freundschaftlichen Verhältnisses mit Frau K und in dem Bestreben, diese in finanzieller Hinsicht für die Zukunft abzusichern, entschloss sich daher die Klägerin, die sehr vermögend ist und aus ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin über hohe monatliche Einkünfte in Höhe von etwa … EUR verfügt, im Herbst 2004 dazu, Frau K einen größeren Geldbetrag zu schenken. Dieser Geldbetrag sollte es Frau K ermöglichen, sich eine eigene Praxis als Heilpraktikerin aufzubauen und ohne finanzielle Sorgen zu leben. Aus diesem Grunde überwies die Klägerin im November 2004 Frau K einen Betrag in Höhe von … EUR. Eine schriftliche Vereinbarung über diese Schenkung wurde zwischen der Klägerin und Frau K nicht getroffen.

Mit Schreiben vom 01.03.2005 teilte Frau K dem Finanzamt F mit, dass sie eine Schenkung in Höhe von … EUR erhalten habe. Nach Abgabe dieser Mitteilung an den Beklagten als zuständigen Schenkungsteuerfestsetzungsfinanzamt gab Frau K im April 2005 eine entsprechende Schenkungsteuererklärung ab, die am 22.04.2005 zur Festsetzung einer Schenkungsteuer in Höhe von … EUR führte. Die Schenkungsteuer wurde von Frau K aus dem geschenkten Geldbetrag gezahlt.

In der Folgezeit lernte die Klägerin über Frau K Herrn R kennen, der ihr als Rechtsanwalt vorgestellt wurde. Herr R konnte das Vertrauen der Klägerin dadurch gewinnen, dass er in einem Familienstreit der Klägerin mit ihrem Vater erfolgreich vermittelte. Bei Herrn R handelte es sich allerdings tatsächlich nicht um einen Rechtsanwalt, insbesondere verfügte Herr R nicht über die diesbezüglichen beruflichen Qualifikationen und war bereits mehrfach u. a. wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen und Titeln vorbestraft. Dies war der Klägerin jedoch nicht bekannt.

Im September 2006 unterbreitete Herr R, der von der Schenkung der Klägerin an Frau K erfahren hatte, Frau K den Vorschlag, die von ihr entsprechend dem Schenkungsteuerbescheid des Beklagten am 22.04.2005 bezahlte Schenkungsteuer in Höhe von … EUR wieder zurückzuholen. Herr R vertrat dabei die Auffassung, dass die Schenkung unter der Auflage gestanden habe, dass Frau K ihre Praxistätigkeit als Heilpraktikerin bis Ende April 2006 wieder aufnehme. Diese Auflage sei von Frau K jedoch nicht erfüllt worden. Obwohl Herrn R bewusst war, dass zwischen der Klägerin und Frau K eine Vereinbarung mit diesem Inhalt nicht getroffen worden war, veranlasste er Frau K, den von ihm hinzugezogenen Steuerberater P aus G mit der Rückforderung der von ihr gezahlten Schenkungsteuer zu beauftragen. Unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht und eines von Herrn R erstellten, auf den 05.09.2006 datierten Schriftstücks, in dem die Klägerin den Widerruf der zugunsten von Frau K erfolgten Schenkung über … EUR wegen Nichterfüllung der mit der Schenkung verbundenen Auflagen erklärte, beantragte der Steuerberater P am 29.09.2006 beim Beklagten die Aufhebung des Schenkungssteuerbescheids vom 22.04.2005 und die Erstattung der gezahlten Schenkungsteuer auf ein Bankkonto des Herrn R, dem die Erstattungsforderung abgetreten worden war. Auf entsprechende Aufforderung des Beklagten überreichte der Steuerberater P zum Nachweis des Inhalts der Schenkungsvereinbarung in der Folgezeit ein wiederum von Herrn R entworfenes, mit „Schenkungsvereinbarung” überschriebenes, auf den 28.10.2004 datiertes Schriftstück, das von der Klägerin und Frau K unterschrieben worden war. Danach war die Schenkung des Betrages in Höhe von … EUR an die Auflage geknüpft, dass Frau K ihre Tätigkeit als Heilpraktikerin spätestens bis zum 30.04.2006 wieder aufne...

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