Entscheidungsstichwort (Thema)

Nießbrauchsrecht ist Teil der Gegenleistung in Zwangsversteigerungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Wert eines zu Gunsten des Meistbietenden im Grundbuch eingetragenen Nießbrauchsrechts ist beim Erwerb durch Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren als Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG zu berücksichtigen.

 

Normenkette

GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.07.2015; Aktenzeichen II R 11/14)

BFH (Urteil vom 15.07.2015; Aktenzeichen II R 11/14)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Wert eines zu Gunsten der Klägerin als Meistbietende im Grundbuch eingetragenen Nießbrauchsrechts beim Erwerb durch Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren als Gegenleistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) zu berücksichtigen ist.

Durch Beschluss des Amtsgerichts A vom ….2008, Az. 1, wurde der Klägerin das Grundstück in A, Gemarkung B, Flur …, Flurstück …, Bauplatz C-Straße, als Meistbietende zu einem Betrag i.H.v. 22.600,00 EUR zugeschlagen. Das Grundstück stand bis dahin im Eigentum der …. Für die Klägerin war durch Bewilligung vom ….2007 ein Nießbrauchsrecht im Grundbuch eingetragen worden. Der Zuschlag erfolgte unter der Bedingung, dass das im Grundbuch zu Gunsten der Klägerin eingetragene Nießbrauchsrecht bestehen blieb. Der Ersatzwert des Nießbrauchsrechts wurde gemäߧ§ 50, 51 Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) auf 2.840.000,00 EUR festgesetzt.

Laut Auskunft des zuständigen Rechtspflegers beim Amtsgericht A gegenüber dem beklagten Finanzamt vom 23.06.2009 und 24.03.2010 ist der ermittelte Wert des Nießbrauches mit dem Verkehrswert des Grundstückes identisch, weil das Nießbrauchsrecht von unbegrenzter Dauer ist. Nach dem Zwangsvollstreckungsrecht bestehe eine Nachzahlungspflicht für den Fall, dass das Nießbrauchsrecht nicht bestehe. Der im Grundbuch eingetragene Widerspruch gegen die Eintragung des Nießbrauchs sei wegen des Eigentumswechsels aufgrund des Zwangsversteigerungsbe schlusses gelöscht worden. Unabhängig davon seien noch Gläubigerklagen gegen die Klägerin anhängig, mit dem Ziel, die Unwirksamkeit des Nießbrauchs festzustellen. Aus diesem Grunde sei im Zwangsversteigerungsbeschluss das Nießbrauchsrecht als bestehen bleibendes Recht ausgewiesen. Wegen der Klagen sei ungewiss, ob der Wert des Nießbrauchs gegebenenfalls zum Grundbesitzwert zähle, bzw. ob der Grundbesitz durch den Nießbrauch belastet sei. Ohne den bestehenden Nießbrauch hätte das Gebot nicht wie geschehen akzeptiert werden können. Die Einbeziehung des Nießbrauchs als bestehen bleibendes Recht eröffne in Höhe des angegebenen Wertes die Nachschusspflicht des Erstehers, sollte die Klage zu seinen Lasten ausgehen.

Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass der Wert des zu Gunsten der Klägerin bestehen bleibenden Nießbrauchsrechts eine Gegenleistung Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG darstelle und setzte mit Bescheid vom 26.06.2009 unter Berücksichtigung des Meistgebots und des bestehen bleibenden Nießbrauchsrechts als Bemessungsgrundlage Grunderwerbsteuer in Höhe von 100.191,00 EUR gegenüber der Klägerin fest. Zur Erläuterung führte der Beklagte aus, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.01.1985 II R 36/83, BStBl II 1985, 239, der Umfang des Meistgebotes nicht dadurch beeinflusst werde, dass ein bestehen bleibendes Recht dem Meistbietenden zustehe und dadurch auch der Umfang der Gegenleistung nicht nur auf die tatsächliche Höhe des abgegeben Meistgebotes beschränkt werden könne.

Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Entscheidung vom 27.09.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte wie folgt aus:

Das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren sei unstreitig nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG steuerpflichtig. Die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 GrEStG sei zu Recht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG unter Einbeziehung des Nießbrauchsrechts bemessen worden. Ausschlaggebend sei insoweit, dass dieses Recht auch nach dem Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren bestehen geblieben sei und somit eine fortbestehende Belastung des Grundstückes darstelle. Die Eintragung des Nießbrauchsrechts sei nach den geltenden bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen der §§ 1030 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfolgt. Seit der Eintragung des Nießbrauchs im Jahr 2007 habe die Klägerin das Recht, die Nutzungen aus dem Grundstück zu ziehen und könne wirtschaftlich seit 2007 als Eigentümerin angesehen werden. Sie sei jedoch bis zur Abgabe des Meistgebotes nicht die bürgerlich-rechtliche Grundstückseigentümerin gewesen. Dieser Umstand sei jedoch für das Grunderwerbsteuerrecht maßgeblich, da die Steuerpflicht an die bürgerlich-rechtlichen Verhältnisse anknüpfe. Aus diesem Grunde sei auch eine Einordnung des Nießbrauchsrechts als dauernde Last, die nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG nicht zur Gegenleistung zähle, nicht möglich.

Aus dem Protokoll des hier streitigen Verfahrens ergebe sich, dass der Zuschlag auf das von der Klägeri...

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