Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Erfassung von Seminaren zur Raucherentwöhnung als steuerfreie Heilbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ohne vorherige Feststellung eines individuellen Krankheitsbildes für jeden Seminarteilnehmer können die Voraussetzungen einer Heilbehandlung ohne ärztliche Verordnung nur angenommen werden, wenn die Nikotinsucht medizinisch belegbar und unabhängig von dem Grad der Abhängigkeit des Einzelnen als Krankheit anzusehen wäre und Maßnahmen der Entwöhnung daher generell Heilbehandlungscharakter haben. Auch wenn der Nikotinkonsum feststellbar mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden ist, bedeutet dies aber nicht zwangsläufig, dass das Bedürfnis nach dem "Suchtmittel" bereits unabhängig vom Grad der Abhängigkeit im Einzelfall als Krankheit anzusehen ist.

2. Das in Rauchwaren enthaltene Nikotin wird nicht als "Droge" i.S.d. Abschn. D Ziff. 1.3.1. der Psychotherapie-Richtlinien angesehen. Eine Entwöhnungsbehandlung von Rauchern ist danach kein Behandlungsverfahren i.S.d. Richtlinien und zählt dementsprechend auch nicht zur Verhaltenstherapie in diesem Sinne.

 

Normenkette

Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; UStG § 4 Nr. 14

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.08.2014; Aktenzeichen XI R 19/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin ausgeführten Leistungen als Umsätze der Heilbehandlung steuerfrei sind.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, welches in der Rechtsform einer GbR betrieben wird, ist die Durchführung von Seminaren zur Raucherentwöhnung und Gewichtsreduktion sowie zum Stress-Management. Beteiligte an der GbR sind die klinische Psychologin A (mit 1%) und der Psychotherapeut B (mit 99%). Die Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2005 beliefen sich 116.680 EUR. Die Umsätze wurden überwiegend aus Seminaren zur Raucherentwöhnung erzielt. Die Klägerin, die ihre Umsätze für steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 UStG hielt, hatte im streitbefangenen Zeitraum unstreitig keine Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erteilt.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung verneinte der Beklagte die von der Klägerin angenommene Steuerbefreiung und setzte die Umsatzsteuer (16.094 EUR) unter Berücksichtigung der nunmehr von der Klägerin erklärten Vorsteuer mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Oktober 2008 auf 12.572,65 EUR fest.

Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Tätigkeit sei als Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 UStG zu qualifizieren. Maßgeblich für die Erbringung steuerfreier Umsätze sei einerseits die – im Streitfall unstreitige – Qualifikation als Arzt und die Erbringung von Umsätzen der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin. Davon sei auszugehen, wenn die Leistungen regelmäßig durch den Sozialversicherungsträger finanziert würden. In seinem Urteil vom 30. Januar 2008 – XI R 53/06, BStBl 2008 II, 647 habe der BFH darauf abgestellt, ob die entsprechende Therapie als therapeutische bzw. medizinische Leistung klassifiziert sei. Die von der Klägerin durchgeführten Suchttherapien basierten nicht auf einer pädagogischen, sondern auf einer therapeutischen Methodik. Die Suchttherapien erfolgten jeweils aufgrund ärztlicher Verordnung durch Betriebsärzte.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2009 aus: Von der Umsatzsteuer befreit seien nur Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt würden. Der Umfang der Steuerbefreiung sei auf Tätigkeiten beschränkt, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen würden. Die vorgenommene Maßnahme müsse medizinisch indiziert sein. Steuerfreie Maßnahmen zur Vorbeugung von Gesundheitsstörungen seien z. B. ärztliche Vorsorgeuntersuchungen, wenn sie dem Schutz der Gesundheit dienten. Davon abzugrenzen seien Maßnahmen zur allgemeinen Gesundheitsförderung oder Gesunderhaltung. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne des § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug hätten, sondern lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbesserten, seien nicht umsatzsteuerfrei. Der Krankheitsbezug müsse durch eine ärztliche Verordnung im Einzelfall nachgewiesen werden; eine allgemeine ärztliche Empfehlung wie im Streitfall reiche nicht aus. Eine solche Maßnahme diene vielmehr der allgemeinen Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung wie beispielsweise auch Rückenfit-Programme. Deshalb sei es auch unerheblich, wenn einzelne Krankenkassen solche Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 20 SGB V bezuschussten.

Die Klägerin macht geltend, ihre Leistungen seien gemäß § 4 Nr. 14 UStG als Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit. Die erbrachten Leistungen dienten zur Raucherentwöhnung und daher zur Behandlung einer Suchterkrankung. Die Raucherentwöhnungstherapien würden in folgenden Schritten du...

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