Entscheidungsstichwort (Thema)

KSt-Satz für inländische Betriebsstätten europarechtskonform

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die unterschiedliche Behandlung inländischer Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften einerseits und unbeschränkt steuererpflichtiger Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften andererseits führt nicht zu einer rechtswidrigen Diskriminierung, weil es sich wegen der unterschiedlichen Rechtsformen um nicht vergleichbare Sachverhalte handelt.

2) Der Steuersatz von 42% für inländische Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften ist als gemilderter Thesaurierungssatz oder als gemilderter Mischsteuersatz gerechtfertigt.

 

Normenkette

KStG § 23 Abs. 2 (Fassung 1994); EWGVtr Art. 52 Abs. 1 a.F., Abs. 1 S. 1 a.F., Art. 43 Abs. 1, 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.08.2006; Aktenzeichen I R 31/01)

BFH (Beschluss vom 01.04.2003; Aktenzeichen I R 31/01)

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist eine S.A. (societé anonyme) mit Sitz in Luxemburg und einerZweigniederlassung in B.. Die Körperschaftsteuer 1994 wurde vom seinerzeit zuständigen Finanzamt (FA) entsprechend der eingereichten Steuererklärung gemäß § 23 Abs. 2 und 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Höhe von 42 vH des zu versteuernden Einkommens festgesetzt.

Gegen den Bescheid für 1994 über Körperschaftsteuer und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG vom 29. Mai 1996 legte die Klägerin Einspruch ein.

Zur Begründung trug sie vor, der Steuerbescheid verstoße gegen Art. 52 i. V. m. Art. 58 des EWG-Vertrags und das darin gewährte Recht der Niederlassungsfreiheit. Die Klägerin werde durch die Besteuerung nach § 23 Abs. 3 KStG gegenüber der Besteuerung einer vergleichbarenTochterkapitalgesellschaft diskriminiert. Für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften betrage die Körperschaftsteuer 45 vH des zu versteuernden Einkommens. Diese Tarifbelastung mindere sich nach § 27 Abs. 1 KStG bei Ausschüttungen auf 30 vH. Dagegen unterliege der Gewinn von beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften ab 1994 stets einem einheitlichen Körperschaftsteuersatz von 42 vH. Eine Minderung der Körperschaftsteuer nach § 27 Abs. 1 KStG komme für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften nicht in Betracht, da die Vorschrift nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften anwendbar sei.

Die unterschiedlichen Körperschaftsteuersätze für unbeschränkt steuerpflichtige Tochterkapitalgesellschaften einerseits und für beschränkt steuerpflichtige Betriebsstätten andererseits führten somit zu einer höheren Körperschaftsteuerbelastung der Betriebsstätte. Dieser Besteuerungsunterschied zwischen Betriebsstätten von EU-Kapitalgesellschaften und Tochterkapitalgesellschaften verstoße wegen der unterschiedlichen Höhe der Steuersätze gegen die Vorschriften des EWG-Vertrages, insbesondere gegen das in Art. 52 in Verbindung mit Art. 58 EWG-Vertrag verankerte Diskriminierungsverbot sowie gegen das Recht auf freie Niederlassung. Hätte eine vergleichbare Tochterkapitalgesellschaft ihren gesamten Gewinn 1994 im Folgejahr ausgeschüttet, wäre die Steuerbelastung 33,5 vH gewesen (30 vH Körperschaftsteuer zuzüglich 3,5 vH Kapitalertragsteuer gem. Art 13 Abs. 4 DBA Deutschland/Luxemburg i. V. m. § 44d Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe bereits in seinen Urteilen vom 28. Januar 1986 Rs. 270/93 (Avoir fiscal – EuGHE 1986, 273) und 13. Juli 1993 Rs. C – 330/91 (Commerzbank – IStR 1993, 371; EuGHE 1993, 4017) zur steuerlichen Diskriminierung von EU-Betriebsstätten gegenüber Tochterkapitalgesellschaften ausführlich Stellung genommen und festgestellt, dass die steuerliche Diskriminierung von EU-Betriebsstätten nach Art. 52 in Verbindung mit Art 58 EWG-Vertrag unzulässig sei. Da Art. 52 Abs. 1 Satz 2 EWG-Vertrag den europäischen Wirtschaftsteilnehmern ausdrücklich die Möglichkeit lasse, die geeignete Rechtsform für die Ausübung ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat frei zu wählen, dürfe diese freie Wahl nicht durch diskriminierende Steuerbestimmungen eingeschränkt werden. In den zitierten Urteilen habe der EuGH denkbare Einwände zurückgewiesen, z.B. grundsätzliche Unterschiede zwischen Tochterkapitalgesellschaft und Betriebsstätte, bestehende Wahlmöglichkeiten der Rechtsform der Tochtergesellschaft, Mangel der Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Körperschaftsteuer.

Diese EuGH-Urteile verdeutlichten, dass der im deutschen Steuerrecht vorgesehene unterschiedliche Körperschaftsteuersatz für inländische Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften und für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften gegen das in Art. 52 in Verbindung mit Art. 58 EWG-Vertrag festgelegte Diskriminierungsverbot sowie gegen das Recht der Niederlassungsfreiheit verstoße. Daher beantrage die Klägerin, den Körperschaftsteuersatz für ihre deutsche Zweigniederlassung für den Veranlagungszeitraum 1994 mit 33,5 vH zu berücksichtigen. Dies entspreche dem Körperschaftsteuersatz, dem im Jahr 19...

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