Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch von sog. Ortskräften im diplomatischen Dienst

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Zur Begründung eines Anspruchs auf Kindergeldzahlung muß ein vorgelegtes Dokument nicht unbedingt die in § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Bezeichnungen "Aufenthaltsberechtigung” oder "Aufenthaltserlaubnis” tragen. Ein "Dienstvisum” oder ein "gelber Ausweis” einer sog. Ortskraft bei einer diplomatischen Mission erfüllt die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG ebenfalls.

2) Ein Verweis auf die Notwendigkeit einer Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des § 5 Nr. 1 oder 2 AuslG verstößt gegen Treu und Glauben (venire contra factum proprium), wenn einerseits die "Freistellung” von ausländerrechtlichen Genehmigungen erfolgt, andererseits aber für die Gewährung von Kindergeld wiederum auf diese Genehmigungen verwiesen wird.

3) Bei der Ermittlung des Vorliegens eines "Verbleibes auf Dauer” ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität das Ausländerrecht im Kindergeldverfahren nicht eigenständig zu prüfen. Da der "gelbe Ausweis” auch an ständig ansässige Personen ausgegeben wird, wird der Umstand der "ständigen Ansässigkeit” zugunsten des Inhabers widerleglich vermutet.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2 S. 1; AuslG § 5 Nrn. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.07.2007; Aktenzeichen III R 56/00)

BFH (Urteil vom 25.07.2007; Aktenzeichen III R 56/00)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld an den Beklagten ab März 1997 unter dem Gesichtspunkt einer „Aufenthaltsberechtigung” oder „Aufenthaltserlaubnis” des Klägers als sogenannter „Ortskraft” bei einer diplomatischen Mission.

Der Kläger ist Angehöriger des Staates X und lebt mit seiner Familie seit 1981 in Deutschland.

Die Eheleute haben drei Kinder: A N, geboren am 03.07.1980, A M, geboren 06.08.1987 und A O, geboren am 30.01.1990.

Der Kläger arbeitete seit 1981 bei der Botschaft des Staates Republik Y. Er ist weder von seinem Heimatstaat noch von einem anderen Staat für eine Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland „entsandt” worden, sondern wurde vielmehr von der Botschaft auf dem lokalen (bundesrepublikanischen) Arbeitsmarkt angeworben; bei dem Kläger handelte es sich damit um eine sogenannte „Ortskraft” (zum Begriff der „Ortskraft” vgl. z. B. Inneministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlaß vom 25. März 1999 I B 2/43.18).

Das Auswärtige Amt hatte dem Kläger ab dem 01.12.1992 bis April 1994 eine Auftenhaltserlaubnis gemäß § 15 AuslG (Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet / Ausländergesetz vom 09. Juli 1990, BGBl I 1990, 1354) erteilt.

Der Kläger unterlag der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit und bezog auch – bis zum Juli 1995 – Kindergeld.

Im Jahr 1993 wurde die „Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes” (DV AuslG – vom 18. Dezember 1990, BGBl I 1990, 2983) durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Auländergesetzes geändert. „Ortskräfte” wurden danach vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis „befreit”. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 3 DV AuslG i.d.F. vom 23. Februar 1993 (BGBl I 1993, 266) lautet:

„Keiner Aufenthaltsgenehmigung bedürfen …

3. die nicht amtlich entsandten, mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes örtlich angestellten Mitglieder des diplomatischen oder berufskonsularischen, des Verwaltungs- und technischen Personals sowie des dienstlichen Hauspersonals diplomatischer Missionen und berufskonsularischer Vertretungen im Bundesgebiet …”

Nachdem die Aufenthaltserlaubnis des Klägers am 18.04.1994 abgelaufen war, stellte ihm das Auswärtige Amt keine Aufenthaltserlaubnis mehr aus.

Vielmehr erhielt der Kläger, der unverändert noch als „Ortskraft” tätig war, am gleichen Tag ein „Dienstvisum” – zunächst befristet bis zum 30.12.1994. Am 02.01.1995 erhielt der Kläger ein weiteres – befristetes – Dienstvisum und einen ebenfalls befristeten „Gelben Ausweis”.

Mit Schreiben vom 24.09.1997, bei dem Beklagten eingegangen am 26.09.1997, beantragte der Kläger die – erneute – Festsetzung von Kindergeld. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt im Besitz eines am 06.02.1997 erteilten und bis zum 28.02.1998 befristeten Dienstvisums.

Diesen Antrag auf Bewilligung von Kindergeld lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.10.1997 ab. Er begründete seine Entscheidung mit dem Hinweis, der Kläger verfüge weder über eine gültige Aufenthaltserlaubnis noch über eine Aufenthaltsberechtigung.

Am 27.11.1997 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die hiermit verbundene Fiktion einer Aufenthaltserlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG bestand durchgehend jedenfalls bis zum 27.07.1999.

Der Einspruch des Klägers wurde durch Einspruchsentscheidung vom 12.12.1997 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte rechtfertigte seine Auffassung erneut im wesentlichen mit dem Hinweis, der Kläger sei nicht im Besitz einer nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis.

Mit seiner unter dem 07.01.1998 erhobenen Klage verfol...

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