Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des steuerfreien Veräußerungsgewinns nach BVerfG: Veräußerungskosten sind aufzuteilen

 

Leitsatz (redaktionell)

Erfolgt auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG zur Steuerfreiheit des bis zum 31.3.1999 erzielten Wertzuwachses im Rahmen des § 23 EStG eine Schätzung des steuerfreien und steuerpflichtigen Teils eines Veräußerungsgewinns, sind die Veräußerungskosten anteilig dem steuerbaren und nicht steuerbaren Teil des Veräußerungsgewinns zuzuordnen.

 

Normenkette

EStG § 52 Abs. 39, § 23 Abs. 3, 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.03.2015; Aktenzeichen IX R 2/14)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechnung eines Veräußerungsgewinns bzw. Veräußerungsverlustes im Sinne des § 23 des EinkommensteuergesetzesEStG – aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung.

Der Kläger bildete nach Lage der Akten mit der Beigeladenen bei jeweils hälftiger Beteiligung eine Grundstücksgemeinschaft hinsichtlich der Wohnung Nr. 8 im Haus A-Weg … in B. Die Grundstücksgemeinschaft hatte das Objekt am 21. Februar 1991 zum Kaufpreis von 197.000 DM zuzüglich Nebenkosten angeschafft und mit Notarvertrag vom 10. März 2000 für 270.000 DM veräußert. Nach Lage der Akten war die Wohnung von 1991 bis 2000 vermietet. Die Grundstücksgemeinschaft hat im Rahmen der Vermietungseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG i. V. m. § 21 EStG) in den Jahren von 1991 bis 1999 Absetzungen für Abnutzung – AfA – geltend gemacht. Dabei betrugen die AfA 3.153 DM im Jahr der Anschaffung und jeweils 3.784 DM in den Jahren 1992 bis 1999. Nachdem der Beklagte durch Übersendung des Veräußerungsvertrages und eine Veräußerungsmitteilung von dem Verkauf erfahren hatte, forderte er die Grundstücksgemeinschaft auf, eine Steuererklärung für das Veräußerungsgeschäft abzugeben. Dem trat die Grundstücksgemeinschaft entgegen. Sie vertrat unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit die Auffassung, die Veräußerung sei nicht steuerpflichtig, da die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführte (rückwirkende) Verlängerung der Veräußerungsfristen für Grundstücksverkäufe von zwei auf zehn Jahre verfassungswidrig sei.

Der Beklagte verwies darauf, die ungeklärte Rechtslage könne zwar zu einem Ruhen gegebenenfalls einzulegender Rechtsbehelfe führen, nicht aber zu einer Unterlassung der Steuerfestsetzung. Unter dem 23. Oktober 2002 erließ er daraufhin unter Schätzung der Einkünfte auf 33.500 DM gegenüber der Grundstücksgemeinschaft den hier streitbefangenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2000. Der Bescheid wurde beiden Beteiligten einzeln bekannt gegeben. Er stand nach § 164 Abs. 1 der AbgabenordnungAO – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Dagegen wendete(n) sich die ehemalige Grundstücksgemeinschaft bzw. deren frühere Beteiligten, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, mit dem Einspruch und einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Das Einspruchsverfahren ruhte im Hinblick auf die, unter anderem durch Vorlagebeschluss des erkennenden Senates vom 25. Juli 2002 eingeleiteten, Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht – BVerfG –, über die das BVerfG mit Beschluss vom 7. Juli 2010 (2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2011, 76) entschieden hat. Der Kern der verfassungsrechtlichen Entscheidung war die grundsätzliche Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit der verlängerten Spekulationsfristen in § 23 Abs. 1 Nr. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG – unter gleichzeitiger Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Wertzuwächsen, die – bei abgelaufenen Spekulationsfristen von zwei Jahren – vor Verkündung des Gesetzes am 31. März 1999 eingetreten waren.

Das Bundesfinanzministerium – BMF – erließ unter dem 20. Dezember 2010, BStBl I 2011, 14 parallel zur amtlichen Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG im BStBl II eine Anweisung, wie die betroffenen Verfahren abzuwickeln seien. Das Schreiben enthält unter anderem eine Vereinfachungsregelung zur Ermittlung der steuerpflichtigen Anteile eines eventuellen Wertzuwachses bei Grundstücksverkäufen.

Der Beklagte nahm daraufhin im Jahr 2011 das Einspruchsverfahren wieder auf und schlug vor, den Veräußerungsgewinn nach Maßgabe der Vereinfachungsregelung durch eine lineare Verteilung des Wertzuwachses zu ermitteln. Er berechnete zunächst unter Ansatz von Anschaffungskosten in Höhe von 197.000 DM und einem Veräußerungspreis von 270.000 DM einen anteiligen steuerpflichtigen Aufgabegewinn von 7.367 DM, ohne auf zwischenzeitlich bei den Vermietungseinkünften abgezogene Abschreibungsbeträge, weitere Anschaffungskosten und die Veräußerungskosten einzugehen.

Darauf reagierte die (ehemalige) Bruchteilsgemeinschaft erst Mitte des Jahres 2012. Unter Zugrundelegung der Vereinfachungsregelung ermittelte sie aus der Differenz zwischen den Anschaffungskosten von 210.169,74 DM (Summe des im Jahr 1991 gezahlten Kaufpreises und der Erwerbsnebenkosten) und dem V...

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