Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des § 33c EStG a.F. trotz Verfassungswidrigkeit; Berücksichtigung von Rentenversicherungsbeiträgen ausschliesslich als Sonderausgaben

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 10.11.1998 den Betreuungsbedarf eines Kindes nach § 33c EStG für verfassungswidrig erklärt, zugleich jedoch dessen weitere Anwendbarkeit bis zum 31.12.1999 zugelassen. Diese Entscheidungsformel hat Gesetzeskraft und ist für das Gericht anzuwendendes Recht.

2) Eine vermeintlich überlange Dauer des Verfahrens in Steuerangelegenheiten vor dem Bundesverfassungsgericht führt nicht automatisch zu einer zugunsten des Klägers zu erklärenden Rückwirkung einer ihn bislang nicht begünstigenden Norm. Art. 6 Abs. 1 EMRK bietet hierfür keine Rechtsgrundlage.

3) Rentenversicherungsbeiträge sind zwar begrifflich vorab entstandene Werbungskosten, sie sind jedoch konstitutiv und ausschließlich dem Abzug als Sonderausgaben zugeordnet und damit nicht als Werbungskosten abzugsfähig.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 3, §§ 10 c, 9; GG Art. 6, 19 Abs. 4; BVerfGG §§ 79, 31 Abs. 2; EMRK Art. 6 Abs. 1; EStG § 33 c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.07.2004; Aktenzeichen X R 72/01)

BFH (Urteil vom 21.07.2004; Aktenzeichen X R 72/01)

 

Tatbestand

Streitig sind zwischen den Beteiligten zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung die Fragen der verfassungsgemäßen Berücksichtigung einerseits des Betreuungsbedarfs für das 1974 geborenen Kind der Kläger sowie andererseits der Rentenversicherungsbeiträge der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Kläger sind verheiratet und werden in den Streitjahren – 1990 und 1991 – zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte damals in jedem der Streitjahre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als … sowie selbständige Einkünfte aus …; die Klägerin war als … nichtselbständig tätig. Der Sohn der Kläger ist am … 1974 geboren. In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machten die Kläger folgende Vorsorgeaufwendungen geltend:

Alle Werte in DM

1990

1991

Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag des Klägers

1.626

2.408

der Klägerin

2.871

4.265

Krankenversicherungsbeiträge

3.104

3.335

Unfallversicherungsbeiträge

85

185

Lebensversicherungsbeiträge

5.236

12.237

Haftpflichtversicherungsbeiträge

616

616

Summe Versicherungsbeiträge

13.638

23.046

Von den genannten Summen erkannte der Beklagte in seinem Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 28.4.1992 – mit diesem Datum unstreitig neu bekannt gegeben laut Vermerk des Beklagten in der Einkommensteuerakte mit Datum desselben Tages; inhaltsgleich mit dem in dieser Akte abgehefteten „Bescheid” vom 6.4.1992 – bzw. in seinem Einkommensteuerbescheid für 1991 vom 8.6.1993 im Rahmen der beschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen jeweils Beträge in Höhe der Vorsorgepauschale von 7.020 DM steuermindernd als Sonderausgaben an. In den genannten Bescheiden berücksichtigte der Beklagte jeweils einen Kinderfreibetrag in der Höhe vor Einführung des § 53 EStG. Die Bescheide ergingen gemäß § 165 Abs. 1 AO vorläufig im Hinblick auf anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht – BVerfG – zum Grundfreibetrag und den Kinderfreibeträgen (1990) bzw. zusätzlich betreffend weitere Verfahren, u. a. wegen der nur beschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG). Auf die beiden Bescheide wird im einzelnen Bezug genommen.

Die Kläger legten gegen die o. g. Einkommensteuerbescheide Einsprüche ein, die sie im wesentlichen mit damals anhängigen Verfahren beim BVerfG und beim BFH begründeten, weil die Möglichkeit der Punktberichtigung durch die teilweise Vorläufigkeit der Bescheide ihren grundgesetzlich geschützten Anspruch auf Rechtsschutz nicht hinreichend gewähre. Sie beantragten das Ruhen des Verfahrens.

Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1993 wies der Beklagte betreffend beide Streitjahre die Einsprüche als unbegründet zurück. Er begründete dies im wesentlichen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH damit, dass den verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger durch die Vorläufigkeitsvermerke hinreichend Rechnung getragen worden sei. Den Antrag auf Verfahrensruhe lehnte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung ab.

Gegen die letztgenannte Ablehnung haben die Kläger nach erfolglosem Beschwerdeverfahren vor dem FG Köln geklagt; diese Klage (Az.: 10 K 1541/95) haben sie 1998 zurückgenommen.

Mit der vorliegenden Klage verfolgten die Kläger zunächst ihr Ziel weiter, statt des vom Beklagten beigefügten Vorläufigkeitsvermerks ihr Veranlagungsverfahren letztlich offen zu halten, bis die bereits in der Einspruchsbegründung angesprochenen Gerichtsverfahren beendet seien. Sie hielten ihre Klage insoweit für zulässig. Auf die Klageschrift vom 15.7.1993 sowie den Schriftsatz vom 20.12.1994 nebst Anlagen wird dazu Bezug genommen.

Der Beklagte erließ unter Beachtung des § 53 EStG sodann am 25.8.2000 einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1990 ...

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