Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldberechtigung für ein Pflegekind entfällt nach Auszug des Kindes aus der elterlichen Wohnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Als Kinder werden nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch Pflegekinder berücksichtigt, wenn das famlienähnliche, auf längere Dauer berechnete Band noch fortbesteht. Dies ist zu verneinen, wenn das volljährige Pflegekind eine eigene Wohnung bezieht und dafür selbst Wohngeld bezieht.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Kindergeld für den im Oktober 1987 geborenen A für die Monate ab Oktober 2008 zusteht.

A lebte seit dem Kleinkindalter als Pflegekind im Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes. Die leiblichen Eltern von A sind – wegen Alkohol-/Drogenproblemen – geschäftsunfähig. Mit Urteil des Amtsgerichts B vom … August 1994 wurde die elterliche Sorge für A der Klägerin und ihrem Ehemann übertragen. Zwischen den Eheleuten C und A bestand danach eine innige Beziehung, die geeignet sei, anstelle der leiblichen Eltern eine gefestigte Eltern-Kind-Beziehung zu begründen.

Nach Auskunft der Stadt D erhielt A Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege. Für ihn wurde vom Jugendamt ein monatliches Pflegegeld i.H.v. 784 EUR gezahlt (584 EUR für materielle Aufwendungen und 200 EUR für Kosten der Erziehung, Kindergeld-Akte, Bl. 65), auf das 77 EUR Kindergeld angerechnet wurden. Ab Januar 2008 erhöhte sich das Pflegegeld auf 830 EUR, wobei 38,50 EUR Kindergeld angerechnet wurden (Kindergeld-Akte, Bl. 113). Auch andere Pflegekinder wurden von den Eheleute A lt. Bescheinigung der Stadt D in Vollzeitpflege in ihre Familie aufgenommen (Kindergeld-Akte, Bl. 12, 16, 23 ff., 27, 41).

A hatte auch in der Folgezeit keinen Kontakt zu seinen leiblichen Eltern. In der Zeit vom 30. September 2007 bis zum 30. April 2008 leistete A seinen Zivildienst beim E-Hilfsdienst e.V. in B ab. Im Juni 2008 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für A. Dieser befinde sich in der Zeit von Juni 2008 bis 2010 in einem zweijährigen Bildungsgang der Berufsfachschule zum Erwerb der Fachhochschulreife (Kindergeld-Akte, Bl. 111). Seit dem 1. Oktober 2008 lebte A in einer von ihm selbst auf Dauer angemieteten Wohnung.

Das Pflegegeld für A wurde lt. Auskunft des zuständigen Jugendamts bis zum 29. Oktober 2008 gewährt, weil A an diesem Tag seinen 21. Lebensjahr vollendet habe. Eine darüber hinausgehende Zahlung von Pflegegeld sei weder gesetzlich vorgesehen noch üblich.

Für seine Ausbildung hatte A BAföG-Leistungen beantragt. Im Zuge dieses Antrags nahm A kurzfristig auch Kontakt zu seinen leiblichen Eltern auf. Die Konfrontation mit der Herkunftsfamilie führte bei A offensichtlich zu erheblichen psychischen Schwierigkeiten. Ab dem 12. Februar 2009 war A arbeitsunfähig gemeldet. In der Zeit vom 8. Juni bis zum 16. Juli 2009 begab er sich aufgrund psychischer Probleme in stationäre Behandlung in das Gemeinschaftskrankenhaus F (Kindergeld-Akte, Bl. 131, 136, 139). Im August 2009 beantragte A unter der von ihm angemieteten Wohnung in der „G Str. 19, … B” Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei der deutschen Rentenversicherung, die mit Bescheid vom 29. September 2009 auch bewilligt wurden (Kindergeld-Akte, Bl. 135, 163, 163). Dadurch wurde der Beklagten bekannt, dass A eine eigene Wohnung bezogen hatte. Auf entsprechende Anfrage der Familienkasse wurde dieser der zum 1. Oktober 2008 auf unbestimmte Zeit geschlossene Mietvertrag übersandt (Kindergeld-Akte, Bl. 138).

Mit Bescheid des LVR vom 7. September 2009 wurde A dauerhaft von der Zahlung eines Unterhaltsbeitrags zu den Sozialhilfekosten seiner leiblichen Mutter befreit (GA Bl. 32). In der Zeit von Anfang Oktober 2009 bis Februar 2010 war A in Reha-Zentren in H bzw. in I untergebracht (GA Bl. 21, 14, 163). Am 6. Februar 2010 meldete sich A wieder arbeitslos. Seit dem 22. Februar 2010 nahm er an einer Arbeitsgelegenheit (AGH) teil, um seine Arbeitsfähigkeit einschätzen zu lassen und um Chancen für eine berufliche Integration zu haben. Im Hinblick auf die mit der ARGE B abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung (GA Bl. 53) bezog A in der Folgezeit wieder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (GA Bl. 54).

In der Zeit vom 5. bis zum 16. Juli 2010 absolvierte A über die Firma „J Bildungswerk B GmbH” ein sog. „Vorpraktikum für die kooperative Ausbildung 2010” bei der Firma K in L im vorgesehenen Ausbildungsberuf zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit. Wegen seiner psychischen Erkrankung und der anschließenden Behandlung bis Februar erhielt er den Ausbildungsplatz jedoch nicht (GA Bl. 47). A bezog weiter ALG-II-Leistungen und nahm in der Folgezeit bis Februar 2011 wieder an einer Eingliederungsmaßnahme der ARGE B und der Firma J teil. In der ganzen Zeit lebte A in der von ihm angemieteten Wohnung, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Im Hinblick auf seine Wohnsituation bezog er bis heute Wohngeld und ALG II. Die bezogenen Leistungen wurden...

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