Entscheidungsstichwort (Thema)

Diplomsozialarbeiterin ist bei der Betreuung behinderter und suchtkranker Menschen gewerblich tätig

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine Diplomsozialarbeiterin, die Menschen mit einer psychischen Erkrankung, körperlichen oder geistigen Behinderung oder chronischer Suchterkrankung (Alkohol oder Cannabis) Unterstützung für eine selbstbestimmte Lebensführung gibt und zu diesem Zweck nach einem persönlichen Erstgespräch auch angestellte Fachkräfte beschäftigt, insbesondere Diplom-Heilpädagogen und Diplom-Sozialarbeiter, ist gewerblich tätig.

2) Die Tätigkeit ist nicht gewerbesteuerfrei nach § 3 Nr. 20 d GewStG.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2, § 3 Nr. 20; EStG § 15

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.09.2020; Aktenzeichen VIII R 10/17)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin in den Streitjahren gewerblich i.S.d. § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) tätig war.

Die Klägerin hat ein Studium der Sozialarbeit absolviert; sie ist Diplomsozialarbeiterin. Sie bietet Menschen mit einer psychischen Erkrankung, körperlichen oder geistigen Behinderung oder chronischer Suchterkrankung (Alkohol oder Cannabis) Unterstützung bei einer selbstbestimmten Lebensführung an (vgl. auch ….de).

Die Klägerin wird von Kliniken, Ärzten oder gesetzlichen Betreuern der Amtsgerichte kontaktiert, ob sie für Menschen insbesondere aus der stationären Behandlung heraus die ambulante Versorgung bzw. Wiedereingliederung in die Gesellschaft betreuen kann. Hierfür führt sie zunächst mit den volljährigen Patienten allein oder gemeinsam mit den behandelnden Ärzten ein Erstgespräch durch. Nach eingehender Besprechung erstellt die Klägerin einen so genannten „Hilfeplan”. Dieser wird anschließend in einer „Konferenz” besprochen. An dieser Konferenz nehmen verschiedenen Interessenvertreter (z.B. Landschaftsverband, Vertreter der Stadt, ein Arzt und Sozialarbeiter) teil.

Im Rahmen dieser Konferenz wird der Hilfeplan in Abstimmung mit der Klägerin gegebenenfalls angepasst. Anschießend werden gegebenenfalls finanzielle Mittel durch den Landschaftsverband als Kostenträger bewilligt. Hierbei handelt es sich um Gelder nach dem SGB XII.

Die Klägerin hat für ihre Tätigkeit auch Fachkräfte, insbesondere DiplomHeilpädagogen und Diplom-Sozialarbeiter, angestellt. Das „Erstgespräch” mit (potentiellen) Klienten findet in Anwesenheit der Klägerin statt. Die weiteren Gespräche und Kontakte finden ohne Anwesenheit der Klägerin statt. Vielfach findet das zweite persönliche Gespräch in Anwesenheit der Klägerin erst nach etwa 6 Monaten statt.

Die Klägerin gab für das Streitjahr keine Gewerbesteuererklärung ab.

Der Beklagte gelangte zu der Auffassung, die Klägerin sei gewerblich – und nicht wie von der Klägerin angenommen – selbständig im Sinne des § 18 EStG – tätig.

Entsprechend erließ der Beklagte am 17. Januar 2013 einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag. Hierin legte er den von der Klägerin im Rahmen der Einkommensteuererklärung erklärten Gewinn der Besteuerung zu Grunde.

Hiergegen legt die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Die Klägerin vertrat die Auffassung, ihre Einkünfte seien nicht gewerbesteuerpflichtig, da es sich bei ihrer Tätigkeit um eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG handele.

Ihre Tätigkeit sei mit der eines Arztes vergleichbar. Des Weiteren sei die Tätigkeit auch mit der Tätigkeit eines Sozialtherapeuten vergleichbar. Schließlich sei die Tätigkeit eine erzieherische Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG.

Zumindest sei die Tätigkeit jedoch nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit, weil Gelder nach dem SGB bezogen würden.

Den eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2014 als unbegründet zurück.

Unstreitig liege kein Katalogberuf vor. Auch sei kein ähnlicher Beruf gegeben.

Die Tätigkeit der Klägerin sei der eines Arztes nicht ähnlich. Die Ausbildung der Klägerin weise nicht die vergleichbare wissenschaftliche Ausbildung auf wie die eines Arztes.

Desweiteren könne auch nicht festgestellt werden, dass die Tätigkeit der eines Sozialtherapeuten vergleichbar sei.

Er führte ferner aus, die Klägerin sei nicht erzieherisch tätig geworden. Es fehle an der Voraussetzung, dass die gesamte Persönlichkeit geformt werde. Vielmehr würden im Streitfall in der Regel erwachsene Menschen in den normalen Lebensalltag wieder eingegliedert, indem sie dabei unterstützt würden, am sozialen Leben wieder teilnehmen zu können.

Schließlich seien auch die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Gewerbesteuergesetz nicht erfüllt. Die Klägerin übernehme keine Pflege im Sinne dieser Norm.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2014 Bezug genommen

Hiergegen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie ist weiter der Auffassung, ihre Tätigkeit unterliege nicht der Gewerbesteuer. Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, die ausgeübte Tätigkeit sei erzieheris...

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