Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung nach Hauptsacheerledigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Verletzt die Finanzbehörde ihre Fürsorgepflicht gemäß § 89 AO dergestalt, dass sie einen Steuerpflichtigen, dem für die Finanzbehörde offensichtlich ein Sonderausgabenabzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zusteht, diesen bei persönlicher Abgabe seiner Steuererklärung darauf nicht hinweist, so hat die Finanzbehörde nach Hauptsacheerledigung im nachfolgenden Finanzgerichtsverfahren die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Normenkette

FGO § 137; AO § 89; FGO § 138

 

Tatbestand

Die Beteiligten haben übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Deshalb war nunmehr gemäß § 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Die Kosten waren gemäß § 138 Abs. 2 FGO der beklagten Behörde aufzuerlegen, da dem Begehren des Klägers durch den Änderungsbescheid mit Festsetzung auf Null EUR, in dem höhere Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt sind, bei der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits im Ergebnis in vollem Umfang stattgegeben worden ist.

Die Kosten waren auch nicht nach § 138 Abs. 2 Satz 2, § 137 FGO dem Kläger aufzuerlegen, weil er – ausweislich der Steuerakten des Beklagten – erstmals nach Klageerhebung – nämlich am 20. März 2008 – gegenüber dem Beklagten die fehlende Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen gerügt und u.a. einen Kontoauszug betreffend solche Beiträge hinsichtlich der Zusatzversorgungskasse S vorgelegt hat.

Die Kostenfolge aus diesen Normen trifft den Steuerpflichtigen dann, wenn er letztlich sein Klagebegehren erreicht, obwohl er die zur Abhilfe durch den Beklagten führenden Tatsachen früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen.

Dies wäre hier grundsätzlich der Fall, doch schließt der den Beklagten treffende Folgenbeseitigungsanspruch aus einer Verletzung seiner Anregungspflicht nach § 89 Satz 1 AO die Vorwerfbarkeit verspäteter Geltendmachung ausnahmsweise aus. Denn bei Verletzung dieser Hinweispflicht steht dem Steuerpflichtigen ein Anspruch darauf zu, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der gebotene Hinweis erteilt worden wäre (FG Köln, Urteil vom 21.4.1992, 3 K 6630/91, EFG 1993,4; Seer in: Tipke /Kruse, AO und FGO, § 89 AO, Rz. 19; Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO, § 89 AO, Tz. 84; vgl. Brockmeyer in. Klein, AO, 9. Auflage 2006, § 89, Rz. 3). Dann aber wäre ihm im Ergebnis keine Gerichtskosten entstanden, da schon der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid auf Null EUR gelautet hätte.

Der Beklagte war aufgrund der genannten Norm verpflichtet, dem Kläger als steuerlich nicht beratenem Steuerpflichtigen zu raten, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Sonderausgaben gemäß § 10 EStG geltend zu machen, da sich das Vorliegen solcher Aufwendungen aus den Rentenmitteilung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie der Zusatzversorgungskasse S ergab, die der Kläger bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung beigefügt hatte.

Unter welchen Umständen der Beklagte in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht aus § 89 AO auf eine sachgerechte Ergänzung hinzuwirken hat, lässt sich nur von Fall zu Fall – unter Heranziehung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts – entscheiden (BFH-Beschluss vom 07.03.2006 B 158/05, BFH/NV 2006, 1053). Grundsätzlich ist eine solche Pflicht des Beklagten nur anzunehmen, wenn es ganz offensichtlich für die Finanzbehörde ist, dass der Steuerpflichtigen nur ein Fehler unterlaufen ist; die Offenkundigkeit muss praktisch auf der Hand liegen (Brockmeyer in: Klein, AO, 9. Auflage 2006, § 89, Rz. 2).

Dies ist hier hinsichtlich der Versicherungsbeiträge der Fall. Denn der Kläger hat die Erklärung in der Service- und Informationsstelle des Beklagten – SIST – eingereicht, war also persönlich bei der Entgegennahme und Belegprüfung seines Antrags zugegen, konnte also direkt auf einen fehlenden Antrag von Sonderausgaben angesprochen werden. Die Einkommensteuererklärung des Klägers enthielt neben dem Mantelbogen nur eine Anlage N sowie eine Anlage R (mit den beiden Renten laut Mitteilungen), des weiteren an Anlagen außer den Rentenmitteilungen nur den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung, in der ein Betrag von 556,80 EUR für den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung bescheinigt ist. Im Mantelbogen waren 488 EUR in der Spalte für Unfall- und Haftpflichtversicherungen eingetragen. Wenige Zeilen darüber hatte entweder der Kläger oder ein späterer Bearbeiter die Ziffer 1 bei der Frage nach steuerfreien Zuschüssen zur Krankenversicherung „z.B. als Rentner” eingetragen.

 

Entscheidungsgründe

Angesichts dieser rechtlich und tatsächlich nicht schwierigen Einkommensteuererklärung – von der der Beklagte im Einkommensteuerbescheid nicht abgewichen ist – und der in der Anlage R erklärten Renten hätte für das Finanzamt die Pflicht bestanden, den – ja noch persönlich anwesenden – K...

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