Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer bei Steuerfreistellung der Dividenden europarechtskonform?

 

Leitsatz (redaktionell)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Unterfällt der Ausschluss der Anrechnung von Körperschaftsteuer infolge der Steuerfreistellung von Dividendenausschüttungen von Kapitalgesellschaften im Drittland an deutsche Kapitalgesellschaften, für die die nationalen Vorschriften nur voraussetzen, dass die die Dividenden empfangende Kapitalgesellschaft zu mindestens 10% an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist, nur der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV oder auch der Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne der Art. 63 bis 65 AEUV, wenn die tatsächliche Beteiligung der die Dividenden erhaltenden Kapitalgesellschaft 100% beträgt?

2. Sind die Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 AEUV) und ggf. auch zur Kapitalverkehrsfreiheit (bis 1993 Art. 67 EWGV/EGV, jetzt Art. 63 bis 65 AEUV) so zu verstehen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, die bei Freistellung der Dividenden von ausländischen Tochtergesellschaften von der Besteuerung die An-rechnung und Auszahlung von Körperschaftsteuer auf diese Dividendenausschüttungen auch für den Fall des Verlustes bei der Muttergesellschaft ausschließt, wenn für Ausschüttungen inländischer Tochtergesellschaften eine Entlastung durch An-rechnung der Körperschaftsteuer vorgesehen ist?

3. Sind die Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 AEUV) und ggf. auch zur Kapitalverkehrsfreiheit (bis 1993 Art. 67 EWGV/EGV, jetzt Art. 63 bis 65 AEUV) so zu verstehen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, die die Anrechnung und Auszahlung von Körperschaftsteuer auf Dividenden von (Ur-) Enkelgesellschaften, die im Land der Tochtergesellschaft steuerfrei gestellt und die an die inländische Muttergesellschaft (weiter-)ausgeschüttet und in Deutschland ebenfalls steuerfrei gestellt worden sind, ausschließt, aber bei rein inländischen Gestaltungen ggf. über die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf Dividenden der Enkelgesellschaft bei der Tochtergesellschaft und die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf Dividenden der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft im Falle des Verlustes bei dieser eine Erstattung ermöglicht?

4. Für den Fall, dass auch die Regelungen über die Kapitalverkehrsfreiheit anzuwenden sind, stellt sich - je nach Beantwortung der Frage 2 - hinsichtlich der kanadischen Dividenden eine zusätzliche Frage:

Ist der heutige Art. 64 Abs. 1 AEUV so zu verstehen, dass er die Anwendung inhaltlich seit dem 31. Dezember 1993 im Wesentlichen unveränderter nationaler und DBA-Regelungen durch die Bundesrepublik Deutschland und damit den andauern-den Ausschluss der Anrechnung kanadischer Körperschaftsteuer auf in Deutschland steuerfrei gestellte Dividenden erlaubt?

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 54, 63-65; KStG § 49 Abs. 1; EStG § 36 Abs. 2, § 20 Abs. 1; AEUV Art. 267 Abs. 2

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 11.09.2014; Aktenzeichen C-47/12)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer, die nach dem Vorbringen der Klägerin von ihren Tochter- und Enkelgesellschaften an europäische und kanadische Finanzbehörden abgeführt worden sind, auf die deutschen Körperschaftsteuern für die Streitjahre 1991 bis 2001.

Die Klägerin ist die Holdinggesellschaft einer Firmengruppe. Sie hat seit ihrer Gründung 1988 ihren satzungsmäßigen Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika – USA – und ihre Geschäftsleitung in Deutschland, wo sie seit 1989 mit einer Zweigniederlassung im Handelsregister erfasst ist. Sie ist zu dem Zweck der einheitlichen Leitung der von ihr zu erwerbenden europäischen und kanadischen Tochtergesellschaften der damaligen A Inc. (USA) gegründet worden. Seit 1989 hält sie 99,95% der Anteile an der deutschen B GmbH, mit der und weiteren deutschen Gesellschaften jeweils ein Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag bestand. Sie war in den Streitjahren außerdem u. a. an folgenden ausländischen Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligt:

C, Frankreich

B1, Norwegen

B2 Ltd., Großbritannien

B3 S.A./N.V., Belgien

B4 APS, Dänemark

D, Kanada

B5 Inc., Kanada.

Ausweislich der Anlagen 6 zu den Jahresabschlüssen 1991 bis 1998 und der Anlagen IV, V oder VI zu den Jahresabschlüssen 1999 bis 2001 betrugen die unmittelbaren Beteiligungen an der

  1. C, Frankreich in 1991 und 1992 jeweils 92,941 %, 1993 bis 1996 jeweils 93,021%, 1997 93,226%, 1998 93,771%, 1999 93,711% und 2000 und 2001 jeweils 93,771%,
  2. B1, Norwegen von 1991 bis 1998 jeweils 100%, 1999 bis 2001 jeweils 0 %,
  3. B2 Ltd., Großbritannien von 1991 bis 2001 jeweils 100%,
  4. B3 S.A./N.V., Belgien in 1991 100%, 1992 98,4%, 1993 und 1994 99,99%, 1995 bis 1998 99,999%, 1999 bis 2001 jeweils 0%,
  5. B4 APS, Dänemark von 1999 bis 2001 jewe...

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