Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit durch höhere Erbschaftsteuer auf Vermietungsimmobilie im Drittstaat (Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH)?

 

Leitsatz (redaktionell)

Es erscheint zweifelhaft, ob es mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 ff. AEUV vereinbar ist, dass der Erwerb eines bebauten und vermieteten Grundstücks des Privatvermögens, welches in einem Drittstaat (hier: Kanada) belegen ist, von der Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13c Abs. 3 i.V.m. § 13c Abs. 1 ErbStG 2009 ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1, Art. 65 Abs. 1 Buchst. a; BGB §§ 2147, 2174, 2176; ErbStG 2009 § 12 Abs. 7, § 13c Abs. 1, 3; BewG § 9 Abs. 2, §§ 31, 151 Abs. 4; Art. 267 Abs. 2 AEUV

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 12.10.2023; Aktenzeichen C-670/21)

 

Tatbestand

I. Sachverhalt und Streitstand

Der am ….2016 verstorbene Herr A (Erblasser) vermachte dem Kläger, seinem Sohn, durch notariell beurkundeten Erbvertrag vom ….2013 (UR-Nr. …/2013 des Notars B aus C) seinen hälftigen Anteil am Grundvermögen in Kanada (1 und 2-12 D in E / F –Kanada–) sowie 1/3 eines Gesellschaftsanteils an der „A1 GmbH & Co KG” mit Sitz in G –Deutschland– (unter D.2.b. und D.4. des Erbvertrages). Die in Kanada belegenen Grundstücke sind zu Wohnzwecken vermietet und nicht Teil eines Betriebsvermögens. Der Erblasser hatte zu Lebzeiten seinen Wohnsitz in H / Deutschland, wo auch der Kläger zum Zeitpunkt des Erbfalles wohnte. Die vermachten Vermögensgegenstände sind jeweils mit lebenslangen Nießbrauchsrechten zugunsten der Ehefrau des Erblassers belastet (D.3. und D.5. des Erbvertrages). Der Kläger nahm das Vermächtnis an.

Der für die Festsetzung der Erbschaftsteuer maßgebliche anteilige gemeine Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles der in Kanada belegenen Grundstücksanteile beträgt … €. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Die Beteiligten sind sich auch einig darin, dass der Nießbrauch, der auf dem Grundstück lastet, nach den maßgeblichen erbschaftsteuerrechtlichen und bewertungsrechtlichen Vorschriften mit … € zu bewerten ist.

Mit Bescheid vom 17.07.2017 setzte das beklagte Finanzamt die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der AbgabenordnungAO –) auf … € fest. Dabei legte er der Besteuerung als Erwerb durch Vermächtnis folgende Werte zu Grunde:

Grundvermögen Kanada:

… €

Betriebsvermögen KG:

… €

Vorerwerbe:

… €

abzüglich

Nießbrauch Grundvermögen

… €

Nießbrauch Betriebsvermögen

… €

sonstige Verbindlichkeiten

… €

Mit Schreiben vom 19.03.2018 beantragte der Kläger gemäß § 164 Abs. 2 AO die Änderung des Erbschaftsteuerbescheides dahingehend, das Grundvermögen in Kanada gemäß § 13c Abs. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Erbschaft- und Bewertungsrechts vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018), – kurz: ErbStG 2009 – lediglich mit 90 Prozent seines gemeinen Wertes der Besteuerung zu unterwerfen. Gemäß § 13c Abs. 1 ErbStG 2009 seien Grundstücke lediglich mit 90 Prozent ihres Wertes anzusetzen, wenn sie zu Wohnzwecken vermietet werden würden (§ 13c Abs. 3 Nr. 1 ErbStG 2009), im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen seien (§ 13c Abs. 3 Nr. 2 ErbStG 2009) und nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gehören würden (§ 13c Abs. 3 Nr. 3 ErbStG 2009). Das aufgrund Vermächtnisses erworbene Grundvermögen in Kanada sei zu Wohnzwecken vermietet und gehöre zum Privatvermögen. Hinsichtlich der Voraussetzung des § 13c Abs. 3 Nr. 2 ErbStG 2009 zur Belegenheit des Grundstücks vertrat der Kläger die Ansicht, dass die Norm insoweit gegen die sog. Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV in Bezug auf einen Drittstaat verstoße. Dabei berief er sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.01.2008 (Az. C-256/06 – Jäger, DStRE 2008, 174).

Das beklagte Finanzamt lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 25.04.2018 ab, wogegen der Kläger fristgerecht Einspruch einlegte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 23.04.2019 wies das beklagte Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück und setzte die Erbschaftsteuer aus nicht streitgegenständlichen Gründen auf … € herauf. Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte das beklagte Finanzamt aus, dass die unterschiedliche Behandlung von Mietwohngrundstücken, die in einem Drittland belegen sind, zu Mietwohngrundstücken, die im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen sind, keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV darstelle. Der EuGH gehe dann von einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus, wenn ein Freibetrag auf Steuerbemessungsgrundlagen vom Wohnsitz der Beteiligten abhängig gemacht werde (EuGH-Urteil vom 22.04.2010, C-510/08 – Mattern, Slg 2010, I-3553-3580). Ebenso bejahe er einen solchen Verstoß, wenn sich ...

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