Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VI B 68/15)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Abgabenordnung: "Aufforderung" zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO, Veranlagungsmitteilung des Finanzamts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine verbindliche Aufforderung nach § 149 Abs. 1 S. 2 AO, die typischerweise ergeht, wenn es Unklarheiten oder Streit über das Bestehen einer Steuerpflicht gibt, ist im Wege der Auslegung zu unterscheiden von einem bloßen Realakt der Behörde, durch den der Empfänger lediglich an seine gesetzliche Erklärungspflicht erinnert werden soll.

2. Das Schreiben des Finanzamtes, in dem es - in Abkehr von einer zuvor im Hinblick auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung erklärten Ablehnung - mitteilt, eine Veranlagung unter Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist kein selbständiger Verwaltungsakt und kann ohne weiteres widerrufen werden.

 

Normenkette

AO § 149 Abs. 1 S. 2, §§ 110, 169, 171 Abs. 1; EStG § 46 Abs. 2 Nrn. 1, 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.10.2017; Aktenzeichen VI R 53/15)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt, zur Einkommensteuer 2006 veranlagt zu werden, was ihm der Beklagte unter Hinweis darauf verweigert, dass es sich um eine Antragsveranlagung handele, deren Frist bei Antragstellung bereits abgelaufen gewesen sei.

1. Der Kläger reichte mit Schreiben vom 29.12.2011, beim Beklagten eingegangen am 30.12.2011, seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 ein. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit einem Werbungskostenüberschuss von mehr als EUR 5.000.

2. Der Beklagte lehnte die Bearbeitung der Erklärung unter dem 09.01.2012 ab, weil bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Es handele sich um eine Antragsveranlagung, denn keiner der unter § 46 Abs. 2 EStG aufgeführten Tatbestände sei erfüllt.

3. Der Kläger legte am 07.02.2012 Einspruch ein mit der Begründung, die zur Steuererklärung benötigten Unterlagen seien zunächst ohne sein Verschulden umzugsbedingt verloren gewesen. Am 11.03.2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe keine Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung erhalten, so dass er nicht damit gerechnet habe, dass eine Frist ablaufen könne. Die vom Beklagten zur Ablehnungsbegründung zitierten Vorschriften und Fristen seien ihm unbekannt gewesen, ebenso die Möglichkeit, Fristverlängerung zu beantragen. Ihm sei unmöglich gewesen, die Einkommensteuererklärung früher zu erstellen, weil ihm die Steuerunterlagen gefehlt hätten. Schuld daran sei das Unternehmen, das er im Jahr 2010 mit seinem Umzug von A nach B beauftragt habe. Der Unternehmer habe ihm Umzugsgut vorenthalten, um weitere Vergütungen zu erpressen. Letztlich sei das Umzugsgut nicht vollständig und im Übrigen teilweise beschädigt und durchwühlt und in Unordnung herausgegeben worden. Die Unterlagen zu der eingereichten Steuererklärung seien erst zum Ende des Jahres 2011 in einem Abstellraum gefunden worden, als dieser wegen eines Wasserschadens habe geräumt werden müssen. In dem Raum seien eigentlich nur wissenschaftliche Unterlagen gelagert worden. Die Steuerunterlagen seien offenbar durch die Schuld des Umzugsunternehmens unter dieses Material geraten. Ihn, den Kläger, treffe keine Schuld, zumal er wegen einer eigenen Erkrankung und der schweren Erkrankung seiner Frau in einer ohnehin sehr schwierigen Situation gewesen sei.

4. Nachdem der Beklagte zunächst eine ablehnende Haltung eingenommen hatte, teilte er dem Kläger mit Schreiben vom 30.04.2013 (Anl. 8, Bl. 107 Rechtsbehelfsakte) mit, er sei bereit, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und eine Veranlagung für das Jahr 2006 durchzuführen. Im Hinblick auf die Berücksichtigung der Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben bedürfe es noch einer weiteren Angabe des Klägers. Im selben Schreiben wies der Beklagte mit weiterer Begründung darauf hin, dass bestimmte Werbungskosten nicht anerkannt werden könnten. Unter dem 10.06.2013 verfasste der Beklagte ein Schreiben an den Kläger, in dem er an die Beantwortung seines Schreibens vom 30.04.2013 erinnerte und dem Kläger eine Antwortfrist bis zum 08.07.2013 setzte.

5. Unter dem 05.08.2013 brachte der Beklagte ein Schreiben an den Kläger auf den Weg, in dem er mitteilte, seine im Schreiben vom 30.04.2013 mitgeteilte Entscheidung widerrufen zu müssen. Eine Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der versäumten Antragsfrist sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht möglich. Mit Ablauf der Festsetzungsfrist seien die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen. Eine Kopie dieses Schreiben übersendete der Beklagte dem Kläger am 15.10.2013, nachdem der Kläger ihm mitgeteilt hatte, er habe dieses Schreiben nicht erhalten.

6. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.09.2013 (Mittwoch) wies der Beklagte den Einspruch sodann als unbegründet zurück. Die Festsetzungsfrist sei bei Einreichung der Steuererklärung abgelaufen gewese...

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