Entscheidungsstichwort (Thema)

Nacherhebung von Antidumpingzoll auf Einfuhren von Schuhen mit Ursprung in der Volksrepublik China bzw. in Vietnam, die u. a. zur Umgehung von Antidumpingzoll über Malaysia in die EU eingeführt wurden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verordnung (EG) Nr. 1472 des Rates vom 05.10.2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam (ABl. L 275/1) - VO (EG) 1472/2006 - ist in Bezug auf Waren solcher chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller, die weder einen Antrag auf Marktwirtschaftsbehandlung (MWB) noch auf individuelle Behandlung (IB) gestellt haben, gültig und als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Antidumpingzoll heranzuziehen.

2. Wird Antidumpingzoll nacherhoben, trägt die Zollverwaltung die Beweislast für den Ursprung der Waren, wobei es ausreicht, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Waren einen Ursprung haben, der zur Erhebung von Antidumpingzoll führt.

3. Ausgehend von der Teilungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1472/2006 durch das Urteil des EuGH vom 04.02.2016 (C-659/13 und C-34/14) stellt sich die "Nichtherkunft der Waren von Herstellern, die MWB oder IB beantragt haben und nicht in die Stichprobe einbezogen worden sind" als negatives Tatbestandsmerkmal bzw. die "Herkunft der Waren von Herstellern, die MWB oder IB beantragt haben und nicht in die Stichprobe einbezogen worden sind" als Befreiungsvoraussetzung in Bezug auf die Anwendbarkeit der ansonsten gültigen VO (EG) Nr. 1472/2006 dar. Nach allgemeinen Beweislastregeln ist derjenige beweisbelastet, der sich auf einen für ihn günstigen Umstand beruft, mithin für die "Herkunft der Waren von Herstellern, die MWB oder IB beantragt haben und nicht in die Stichprobe einbezogen worden sind" der von der Abgabenerhebung betroffene Zollschuldner.

 

Normenkette

ZK Art. 220 Abs. 1, 2 Buchst. b; EGVO-1472/2006 Art. 1 Abs. 1, 3; FGO § 46 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Antidumpingzoll.

Die Klägerin, vertreten durch die A Gesellschaft mit beschränkter Haftung, überführte im Zeitraum 20.07.2007 bis 25.07.2008 mit insgesamt elf Zollanmeldungen diverse Partien Schuhe (Damenschuhe) der Warennummern 6403 9118 990 (bzw. 6403 9118 980 - ab 2008), 6403 9198 980 (nur 2008), 6403 9911 900 (bzw. 6403 9911 990 - ab 2008), 6403 9938 900 (bzw. 6403 9938 990 - ab 2008) und 6403 9998 990 (bzw. 6403 9998 980 - ab 2008) aus Malaysia, gekauft von der Firma B Limited, C, China, in den zollrechtlich freien Verkehr, jeweils unter Vorlage von entsprechenden Ursprungszeugnissen Formblatt A. Die Ursprungszeugnisse wiesen als Aussteller Secretary General, Ministry of International Trade and Industry Malaysia (MITI), aus und bescheinigten eine Herstellung der angegebenen Waren in Malaysia durch die Ausführer, die D ...., E, bzw. die F, E (im Einzelnen: KL2007/...-1 vom 25.06.2007, KL2007/...-2 vom 09.07.2007, KL2007/...-3 vom 14.08.2007, KL2007/...-4 vom 24.08.2007 -3 Seiten-, KL2007/...-5 vom 24.09.2007, KL2007/...-6 vom 06.09.2007 -3 Seiten-, KL2008/...-7 vom 22.02.2008 -3 Seiten- und KL2008/...-8 vom 03.07.2008).

Mit Schreiben der Europäischen Kommission, Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 01.06.2010 wurden das Zollkriminalamt G und das Zollfahndungsamt H darüber informiert, dass nach den vorläufigen Ergebnissen der Auswertung der aus Malaysia erhaltenen Informationen in 17 Deutschland betreffenden Fällen der Einfuhr von Schuhen aus Malaysia - darunter fünf der streitgegenständlichen Einfuhrvorgänge der Klägerin - eine Verbindung zwischen dem Import und Export chinesischer Schuhe in die bzw. aus der Freizone Malaysias sowie in 19 Deutschland betreffenden Fällen der Einfuhr von Schuhen aus Malaysia - darunter sechs der streitgegenständlichen Einfuhrvorgänge der Klägerin - eine Verbindung zu dem Export chinesischer bzw. vietnamesischer Schuhe aus der Freizone Malaysias festgestellt worden sei (sog. Malaysia-Liste, SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 7 ff.). Auf Anforderung des Zollfahndungsamts J im Rahmen eines - durch einen anonymen Hinweis veranlassten - Ermittlungsverfahrens gegen Verantwortliche der Klägerin wegen mutmaßlicher Umgehungseinfuhren von Schuhen aus Malaysia hatte das Hauptzollamt K bereits im Juli 2008 zwei Nachprüfungsersuchen eingeleitet betreffend die Ursprungszeugnisse Formblatt A KL2007/...-5, KL 2007/...-1, KL 2007/...-2, KL 2007/...-3, KL 2007/...-4, KL 2007/...-6. Auf Erinnerung des Hauptzollamts Münster, Bundesstelle Ursprungsnachprüfung, vom 16.02.2009, erfolgten zwei Zwischennachrichten des MITI vom 09.07.2009, denen zufolge die Ursprungszeugnisse überprüft würden; eine weitere Mitteilung erfolgte nicht.

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 (AT/S/00/...-1) setzte der Beklagte gegen die Klägerin im Wege der Nacherhebung insgesamt 15.178,81 EUR Einfuhrabga...

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