Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH I B 56/19)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuer: Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kirchensteuer in der Form des besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe ist nur gegenüber dem kirchenangehörigen Ehegatten festzusetzen. Der andere Ehegatte kann sich mangels Klagebefugnis auch dann nicht mit der Anfechtungsklage gegen diese Festsetzung wenden, wenn er das Kirchgeld wirtschaftlich trägt, weil der kirchenangehörige Ehegatte nicht über ein eigenes Einkommen verfügt.

2. Die Festsetzung von Kirchensteuer in der Form des besonderen Kirchgeldes bei glaubensverschiedener Ehe nach den für Hamburg in den Streitjahren 2015 und 2016 geltenden kirchenrechtlichen Vorschriften ist verfassungsgemäß. Dies gilt auch für die Obergrenze von 3.600 € bei einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Eheleute von 300.000 € und mehr.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 4, 6, 140; WRV Art. 137; FGO § 40 Abs. 2; BGB § 1360a; Hamburgisches KiStG §§ 1-5

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger zu 1. (im Folgenden: Kläger) erzielte in den Streitjahren 2015 und 2016 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als ... Die Klägerin zu 2. (im Folgenden: Klägerin) erzielte in den Streitjahren keine Einkünfte. Das zu versteuernde Einkommen der Kläger nach Abzug des Kinderfreibetrages für das gemeinsame Kind belief sich in 2015 auf ... € und in 2016 auf ... €.

Der Kläger trat am ... Oktober 2015 aus der evangelisch-lutherischen Kirche aus. Die Klägerin war in den Streitjahren durchgehend Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche.

Nachdem der Beklagte die Kirchensteuer für 2015 mit Bescheid vom 4. Mai 2017 zunächst für das ganze Jahr berechnet und auf ... € festgesetzt hatte, setzte er die Kirchensteuer mit geändertem Bescheid vom 17. August 2017 auf ... € herab. Dieser Betrag setzte sich aus der Kirchensteuer für die Dauer von zehn Monaten in Höhe von ... € (3 % von ... € zzgl. 9 % von ... € Kapitalertragsteuer) und einem besonderem Kirchgeld gemäß Kirchgeldtabelle für die Zeit von zwei Monaten nach dem Kirchenaustritt des Klägers in Höhe von ... € zusammen.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2018 setzte der Beklagte die Kirchensteuer für 2016 - ohne Berücksichtigung eines besonderen Kirchgelds - auf ... € fest.

Mit Schreiben vom 30. August 2017 legten die Kläger Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer im Hinblick auf die Berücksichtigung des besonderen Kirchgelds für 2015 ein und mit Schreiben vom 22. Mai 2018 gegen die Festsetzung der Kirchensteuer für 2016. Zur Begründung trugen die Kläger vor, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die Toleranz, die Ehegatten in glaubensverschiedener Ehe einander schuldeten, nicht dazu führen dürfe, rechtliche Bindungen eines Ehegatten gegenüber Dritten, insbesondere den Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften, zu schaffen. Ein Anspruch einer Religionsgemeinschaft auf Zahlung eines besonderen Kirchgeldes lasse sich auch nicht aus der ehelichen Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1360a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) herleiten; diese Bestimmung stelle keine Eingriffs- oder Anspruchsnorm für Dritte dar. Dass ein nicht mehr der Glaubensgemeinschaft angehörender Ehepartner gezwungen werde, Zahlungen aus seinem Vermögen für die Glaubensgemeinschaft zu leisten, beinhalte einen unzulässigen Grundrechtseingriff. Schließlich stelle die Gewährung von Kirchenasyl durch die evangelisch-lutherische Kirche einen nachhaltigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rechtstreue dar mit der Folge, dass die Kirche ihr Recht zum Kirchensteuereinzug verwirkt habe. Im Ergebnis sei die Kirchensteuer der Klägerin nach ihrem Einkommen zu bemessen und damit auf 0 € festzusetzen. Hinsichtlich der Kirchensteuerfestsetzung für 2016 wiesen die Kläger auf den Kirchenaustritt des Klägers hin.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. März 2019 verband der Beklagte die Einsprüche zur gemeinsamen Entscheidung und wies sie als unbegründet zurück. Die evangelisch-lutherische Kirche dürfe Kirchensteuer in der Form des besonderen Kirchgeldes erheben. Dieses werde nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Anknüpfung an den Lebensführungsaufwand bemessen, und zwar nach Tabellenstufen des gemeinsam zu versteuernden Einkommens der Eheleute. Die Verfassungsmäßigkeit des besonderen, gestaffelten Kirchgelds für zusammenveranlagte Kirchenangehörige in glaubensverschiedener Ehe werde in ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BFH bejaht. Unabhängig davon sei die Finanzverwaltung an das geltende Recht gebunden.

Die Kläger haben am 29. April 2019 Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2019 hat der Beklagte die Kirchensteuerfestsetzung für 2016 vom 4. Mai 2018 dahingehend geändert, dass nur noch Kirchensteuer gegenüber der Klägerin in der Form des besonderen Kirchgelds in Höhe von 3.600 € festgesetzt w...

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