Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelte Haushaltsführung: Lebensmittelpunkt eines alleinstehenden Arbeitnehmers der am Beschäftigungsort wohnt und an einem anderen Ort einen eigenen Hausstand unterhält

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen, der am Beschäftigungsort wohnt und an einem anderen Ort einen eigenen Hausstand unterhält, ist der Hausstand an dem anderen Ort der Erst- und Haupthaushalt, wenn sich der Steuerpflichtige dort im Wesentlichen nur unterbrochen durch arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheiten aufhält (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2014 - VI R 79/13, BFH/NV 2014, 1362).

2. Ist die Entfernung zwischen dem anderen Ort und dem Beschäftigungsort eher gering (im Streitfall: unter 60 km) und sucht der Steuerpflichtige den eigenen Hausstand am anderen Ort gleichwohl nur etwa vierzehntägig auf, kann dies gegen die Annahmen eines anderweitigen Erst- und Haupthaushalts sprechen (in Abgrenzung zu R 9.10 Ab. 1 Satz 8 LStR).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Mehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 8.772,60 € als Werbungskosten für das Jahr 2009.

Die ... geborene und aus A stammende Klägerin ist seit dem 01.10.2002 als ... am B (...) beschäftigt. Mit Aufnahme dieser Tätigkeit zog sie zunächst in ein sog. "..." in Hamburg. Ihren Wohnsitz in A, im Haus ihrer Eltern, behielt die Klägerin bei.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 2003 übertrug der Vater das Eigentum an dem Elternhaus und dem zugehörigen Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Klägerin. Zugunsten des Vaters wurde ein lebenslanges, unentgeltliches Nießbrauchrecht bestellt. Die mit dem Grundstück verbundenen Rechte, Nutzungen, Pflichten und Gefahren, öffentliche Lasten, Steuern und Abgaben gingen zwar laut Vertrag auf die Klägerin über, sollten aber für die Dauer des Nießbrauchs vom Vater getragen werden.

Am 13.06.2005 unterschrieb die Klägerin einen Mietvertrag für eine 63,53 qm große Wohnung in der X-Straße, Hamburg ..., mit zweieinhalb Zimmern, Küche, Flur, Bad, Kellerraum und Balkon. Die monatliche Nettomiete betrug zunächst 450 € (brutto: 560 €) und stieg bis zum Streitjahr auf 641 € an.

Am 01.07.2005 bezog die Klägerin diese Wohnung. Den Melderegisterangaben zufolge handelte es sich um die einzige Wohnung der Klägerin.

Die Entfernung zwischen dem Elternhaus der Klägerin in A und ihrer Arbeitsstätte im B beträgt 58 km, die normale Fahrzeit eine knappe Stunde. Die Entfernung zwischen der Wohnung in der X-Straße und dem B beträgt 6 km, die normale Fahrzeit etwa 12 Minuten (beide Angaben ohne Verkehr gem. Google-Maps).

Am 13.09.2010 ging bei dem Beklagten die Einkommensteuererklärung der Klägerin für das Jahr 2009 ein. Wie in den Vorjahren machte die Klägerin auch in diesem Jahr u. a. Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Bezug auf die in Hamburg genutzte Wohnung in Höhe von 8.268 € und Fahrtkosten von und nach A in Höhe von 452,40 € als Werbungskosten geltend. Diese setzten sich wie folgt zusammen:

Miete (621,- für Januar-Juni 2009)

3.726,00 €

Miete (641,- für Juli-Dezember 2009)

3.846,00 €

Nachzahlung Nebenkosten

89,95 €

bei Handwerkerleistungen angesetzt

- 195,19 €

Zwischensumme:

7.466,66 €

Telefon

317,00 €

Hausratversicherung

79,00 €

Wasser

61,53 €

Abwasser

62,64 €

Strom

280,79 €

Zwischensumme:

8.268,00 €

Fahrten nach A:

26 x 58 km x 0,30

452,40 €

Summe insgesamt:

8.720,40 €

Mit Bescheid vom 02.02.2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 6.504 € fest. Die geltend gemachten Mehraufwendungen für die Wohnung in Hamburg und die Kosten der Fahrten von A nach Hamburg blieben unberücksichtigt. In einer Anlage zum Bescheid wurde erläutert, dass nach den Ausführungen der Klägerin und unter Berücksichtigung ihrer Tätigkeit in Hamburg seit Oktober 2002 davon auszugehen sei, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in Hamburg befinde. Auf die Anlage wird Bezug genommen.

Die Klägerin legte dagegen am 12.02.2011 Einspruch ein und machte geltend: Sie verfüge in A über einen eigenen Hausstand und bestimme die Haushaltsführung dort in finanzieller und persönlicher Hinsicht mit. Kosten für Heizung, Wasser, Strom usw. trage sie anteilig. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich in A; ihre Beziehung zu Hamburg sei rein beruflich. Außerdem prüfe das Finanzamt die Frage des Lebensmittelpunktes nicht näher, wenn mindestens zweimal monatlich Heimfahrten durchgeführt würden (Hinweis auf R 9.10 Abs. 1 Satz 8 LStR 2008). Von ihr seien 2009 insgesamt 26 Fahrten durchgeführt worden und sie erfülle somit die Anforderungen, die sich die Finanzverwaltung in ihren Richtlinien selbst auferlegt habe. Mehr Fahrten seien aus beruflichen Gründen, aufgrund von Rufbereitschaften, Schichten bis spät in die Nacht hinein und beruflichen Weiterbildungen, nicht möglich gewesen. Auf die Einspruchsbegründung wird ebenfalls Bezug genommen.

Mit Entscheidung vom 09.12.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück: Weder kön...

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