Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuererklärungspflicht eines Verfügungsberechtigten neben dem Sorgerechtsinhaber

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird nach einer Schenkung an ein Kind eine Vermögensübertragung und -anlage bewusst unter Ausschluss des Sorgerechtsinhabers vorgenommen, treffen den im Einverständnis mit den Schenkungsbeteiligten Verfügenden die steuerlichen Erklärungspflichten.

Werden bei einer derartigen Zuwendung in einem Umfang von mehr als einer halben Million DM über Jahre hinaus mehrere Hunderttausend DM in einem Schließfach verwahrt und ansonsten als Sparguthaben angelegt, ist bei lebensnaher Würdigung der Gesamtumstände von einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung auszugehen, insbesondere wenn in eigenen Sachen eine steuerliche Beratung stattfindet.

 

Normenkette

AO §§ 33-35, 79, 149-150, 169, 170 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 370; EStG § 25 Abs. 3, § 20; BGB §§ 104, 177, 185, 808

 

Tatbestand

Unter den Beteiligten ist streitig, ob Vermögensteuer-Bescheide für die Jahre 1986 bis 1990 und Einkommensteuer-Bescheide für die Jahre 1985 bis 1990, die am 18.1.1999 bzw. am 1.2.1999 erlassen wurden, wegen Festsetzungsverjährung rechtswidrig sind oder ob eine wegen Steuerhinterziehung zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - beim Erlass der Bescheide noch nicht abgelaufen war.

Der 1972 geborenen Klägerin wurden nach der Scheidung ihrer Eltern von ihrem Großvater in den Jahren 1981 bis 1987 Sparbuchguthaben und Bargeld geschenkt, insgesamt in einem Umfang von deutlich über einer halben Million DM. Das Bargeld von rund 300.000 DM war bis mindestens 1995 in einem Schließfach deponiert. Gegenüber der Bank trat der Vater der Klägerin als Verfügungsberechtigter bzw. als gesetzlicher Vertreter auf. Erziehungsberechtigt war die Mutter der Klägerin.

Weder wurden für die Streitjahre die Zinseinkünfte aus den Sparguthaben erklärt noch wurden Vermögensteuererklärungen abgegeben.

Nach einer Selbstanzeige vom 8.6.1998 unter Fertigung von Steuererklärungen für die Jahre ab 1988 wurde die Klägerin mit Schreiben der Gemeinsamen Steuerfahndungsstelle der Finanzämter E., L., O., R. und St. beim Finanzamt L. vom 19.8.1998 zur Abgabe von Einkommensteuer-Erklärungen für die Jahre ab 1985 und von Vermögensteuer-Erklärungen für die Jahre ab 1986 aufgefordert (Bl. 116 Einkommensteuer-Akte). Mit Datum vom 18.1.1999 erließ der Beklagte für diese Jahre Einkommensteuerbescheide auf der Basis geschätzter Besteuerungsgrundlagen sowie für die Folgejahre Einkommensteuerbescheide entsprechend den - teilweise korrigierten - Angaben in den Steuererklärungen. Am 1.2.1999 erfolgte eine Hauptveranlagung zur Vermögenssteuer auf den 1.1.1986 auf der Basis geschätzter Besteuerungsgrundlagen sowie für die Folgejahre entsprechend den Steuererklärungen. Für den Inhalt der Bescheide wird auf Bl. 120 f., 124 f., 127 f. und 130 ff. der Einkommensteuer-Akte sowie Bl. 4 f., 9 f., 21 ff. der Vermögensteuer-Akte verwiesen.

Dagegen legte der Bruder der Klägerin als ihr Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 11.2.1999 Einspruch ein (Bl. 4 f. Rechtsbehelf-Akte), den er mit Schreiben vom 4.3.1999 auf die Bescheide der Jahre 1985 bis 1990 beschränkte. Es sei nicht von einer zehnjährigen Festsetzungsfrist auszugehen, denn es liege keine vorsätzliche Steuerhinterziehung vor. Die im Alter von ca. 9 Jahren beschenkte Klägerin habe nicht wissen können, dass sie eine Steuererklärung hätte abgeben müssen. Ihrer Mutter sei die Schenkung nicht bekannt gewesen. Ihr Vater sei nicht erziehungsberechtigt und für ihre Steuererklärung nicht zuständig gewesen. Er habe seine geschiedene Frau verständlicherweise nicht über die Schenkung informiert. Es sei nie um Steuerhinterziehung gegangen.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 20.5.1999, für deren Inhalt auf die Kopie Bl. 9 der Finanzgerichts-Akte Bezug genommen wird, wies der Beklagte die Einsprüche zurück. Es liege eine mindestens mit bedingtem Vorsatz begangene Steuerhinterziehung der Klägerin wie auch ihres Vaters vor. Von einem entschuldbaren Verbotsirrtum sei nicht auszugehen, da die Klägerin nach ihren Erkenntnismöglichkeiten die Steuerpflicht hätte erkennen müssen.

Mit ihrer Klage beruft sich die Klägerin weiter darauf, dass auch dann, wenn fälschlicherweise keine Steuererklärungen abgegeben worden seien, das nicht mit dem Vorsatz geschehen sei, Steuern zu hinterziehen. Ihr Vater habe nicht gewusst, ob sie ihrer Mutter etwas von den Konten erzählt gehabt habe oder nicht. Dass ein Kind ohne Einkommen Steuern für sein Sparbuch zahlen müsse, habe er nicht gewusst. Sie - die Klägerin - habe sich nie um das Geld gekümmert oder es angerührt. Sie habe nicht einmal den genauen Betrag gewusst. Die Sparbücher hätten jahrelang unberührt im Schrank gelegen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20.5.1999 die Einkommensteuerbescheide für 1985 bis 1990, jeweils vom 1.2.1999, sowie die Vermögensteuerbescheide auf den 1.1.1985 bis 1.1.1990, jeweils vom 18.1.1999, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt...

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