Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhrumsatzsteuer: Entstehung von und gegebenenfalls Schuldnerschaft bei Pflichtverletzung durch einen Beförderer gemäß Art. 204 ZK

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:

Gilt Einfuhrmehrwertsteuer für Gegenstände, die als Nichtgemeinschaftsware unter zollamtlicher Überwachung wiederausgeführt worden sind, für die jedoch wegen einer Pflichtverletzung nach Art. 204 ZK - hier: Unterlassen der fristgerechten Erledigung des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens durch Gestellung bei der zuständigen Zollstelle vor der Verbringung ins Drittland - eine Zollschuld entstanden ist, als im Sinne von Art. 236 Abs. 1 ZK in Verbindung mit den Vorschriften der Richtlinie 2006/112/EG nicht gesetzlich geschuldet, jedenfalls wenn als Schuldner derjenige in Anspruch genommen wird, dem die verletzte Pflicht oblag, ohne dass er über die Gegenstände verfügungsberechtigt war?

 

Normenkette

ZK Art. 203-204, 236; ZKDV Art. 859; RL 2006/112/EG Art. 2, 9 Abs. 1-2, Art. 12 Abs. 1, Art. 30, 60-61, 70-71, 167-168; UStG § 5 Abs. 2-3, § 13 Abs. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 21 Abs. 1-2; EUStBV § 1 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 02.06.2016; Aktenzeichen C-228/14)

 

Tatbestand

I.

Mit Datum vom 05.01.2011 wurde ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren T 1 (Registrierkennzeichen ...) eröffnet. Nach Eröffnung des Verfahrens sollten die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist bis zum 12.01.2011 über das Zollamt A bzw. des Zollamt B nach C transportiert werden. Die Klägerin war Warenführerin i. S. d. Art. 96 Abs. 2 ZK. Sie versäumte, die Waren beim Zollamt B zu gestellen, bevor sie nach C befördert wurden. Eine Beendigung des Versandverfahrens nach Art. 366 Abs. 2 ZK-DVO konnte nicht erfolgen, weil die erforderlichen Dokumente nicht vorgelegt werden konnten.

Der Beklagte erließ auf der Grundlage von Art. 204 Abs. 1 Buchst. a)ZK am 08.08.2011 einen Abgabenbescheid gegenüber der Klägerin, mit dem u. a. Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Höhe von EUR 6.002,01 festgesetzt wurde. Einspruch wurde nicht eingelegt.

Am 29.02.2012 beantragte die Klägerin die Erstattung der aufgrund dieses Bescheids entrichteten EUSt gemäß Art. 236 ZK.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.03.2012 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin am 24.07.2012 Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Meinung, dass für Transitwaren, die nicht in den Wirtschaftskreislaufs Deutschlands eingingen, keine Umsatzsteuer erhoben werden könne.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf Erstattung von Einfuhrabgaben vom 02.03.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 05.07.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichtet, ihr Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von EUR 6.002,01 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der beschließende Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung von § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Satz 1 Buchst. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor.

1. Rechtlicher Rahmen

a) Nationales Recht

(1) Umsatzsteuergesetz in der zum maßgeblichen Zeitpunkt gültigen Fassung (UStG)

§ 1 Steuerbare Umsätze

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt; ...

4. die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer); ...

§ 5 Steuerbefreiungen bei der Einfuhr ...

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Erleichterung des Warenverkehrs über die Grenze und zur Vereinfachung der Verwaltung Steuerfreiheit oder Steuerermäßigung anordnen

1. für Gegenstände, die nicht oder nicht mehr am Güterumsatz und an der Preisbildung teilnehmen;

2. für Gegenstände in kleinen Mengen oder von geringem Wert;

3. für Gegenstände, die nur vorübergehend ausgeführt worden waren, ohne ihre Zugehörigkeit oder enge Beziehung zur inländischen Wirtschaft verloren zu haben;

4. für Gegenstände, die nach zollamtlich bewilligter Veredelung in Freihäfen eingeführt werden;

5. für Gegenstände, die nur vorübergehend eingeführt und danach unter zollamtlicher Überwachung wieder ausgeführt werden;

6. für Gegenstände, für die nach zwischenstaatlichem Brauch keine Einfuhrumsatzsteuer erhoben wird;

7. für Gegenstände, die an Bord von Verkehrsmitteln als Mundvorrat, als Brenn-, Treib- oder Schmierstoffe, als technische Öle oder als Betriebsmittel eingeführt werden;

8. für Gegenstände, die weder zum Handel noch zur...

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