vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswahlermessen bei Haftung wegen Steuerhinterziehung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Auswahlermessen der Finanzbehörde bei der Haftungsinanspruchnahme wegen einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat ist in der Weise vorgeprägt, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind, ohne dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensentscheidung bedarf (vgl. BFH-Rspr.).
  2. Unterbleibt die Durchsetzung des Haftungsanspruchs gegenüber einem anderen an der Tat beteiligten Steuerstraftäter, wird die Haftungsinanspruchnahme der übrigen beteiligten Steuerstraftäter dadurch nicht rechtswidrig oder ermessenswidrig.
  3. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Steuerberatungsmandats ist für die Wirksamkeit einer Empfangsvollmacht i.S.d. § 183 AO ohne Bedeutung.
 

Normenkette

AO §§ 71, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 183 Abs. 1 S. 5, Abs. 3, § 191 Abs. 1 S. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 102 Abs. 1; BGB § 426 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids, mit dem der Kläger für Steuerschulden des B (...) in Anspruch genommen wird.

Der Kläger und B gründeten zum 01.01.1999 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gegenstand der Gesellschaft war der Betrieb einer physiotherapeutischen Praxis. Zum 31.10.1999 wurde die bisherige GbR aufgelöst. Zum 01.11.1999 gründeten der Kläger und die Ehefrau des B, Frau C (...), mit einem Anteil von jeweils 50 % eine neue GbR. Geschäftszweck war weiterhin der Betrieb einer physiotherapeutischen Praxis, und zwar unter der bisherigen Anschrift. Beide Gesellschafter verpflichteten sich, mindestens 30 Stunden für die GbR tätig zu sein. In dem Fragebogen zur Gründung einer Personengesellschaft vom 14.03.2000 wurde als steuerlicher Berater der GbR die Steuerberatungsgesellschaft S GmbH eingetragen, welche in den Feststellungserklärungen 1999 bis 2002 auch als Empfangsbevollmächtigte benannt wurde. Die GbR wurde zum 31.12.2002 beendet.

Im Jahr 2005 wurde eine Außenprüfung bei der GbR durchgeführt, die zunächst nur das Jahr 2002 betraf und später auf die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2001 erweitert wurde. Die Prüfungsanordnungen wurden der S GmbH bekannt gegeben, welche während der Außenprüfung als Bevollmächtigte der GbR auftrat (u.a. mit Schreiben vom 04.10.2005, 10.10.2005, 12.10.2005 und 15.10.2005). Während der Außenprüfung wurde durch den Kläger eingeräumt, dass Scheinbelege als Betriebsausgaben erfasst worden seien und Einnahmen in erheblichen Umfang nicht verbucht worden seien.

In dem vorläufigen Betriebsprüfungsbericht vom 20.02.2006 heißt es, dass sowohl der Kläger als auch C der Prüferin als Auskunftspersonen zur Verfügung gestanden hätten. Die Prüferin ermittelte erhebliche Gewinnerhöhungen (rd. 756.000 € in 2000, rd. 1,7 Mio. € in 2001 und rd. 636.000 € in 2002). Die Mehrgewinne rechnete sie dem Kläger und C je zur Hälfte zu.

Die S GmbH nahm dazu mit Schreiben vom 15.03.2006 wie folgt Stellung: Aufgrund einer Überschuldung des B hätten der Kläger und B beschlossen, die zwischen ihnen bestehende GbR zum 31.10.1999 aufzulösen und die Geschäfte unter neuem Namen weiter zu betreiben. Auch nach dem 31.10.1999 sei B sowohl gegenüber den Mitarbeitern als auch im gesamten Außenverhältnis weiter aufgetreten. Allein B und der Kläger hätten die ”schwarzen Abrechnungen“ und die Konten über die ”Schwarzeinnahmen“ geführt. C habe für diese Konten keine Vollmacht gehabt und hiervon bis zur Außenprüfung nicht einmal gewusst. Unter Würdigung der Gesamtumstände sei deshalb C lediglich als Treuhänderin und B als Treugeber anzusehen. Letzterem - und nicht C - seien die hälftigen Einkünfte aus der GbR zuzurechnen.

Die Prüferin folgte dem nicht, sondern erklärte den Betriebsprüfungsbericht mit Schreiben vom 31.05.2006 für endgültig.

Am 22.06.2006 änderte das Finanzamt Z (Betriebstättenfinanzamt) die Bescheide der GbR für 1999 bis 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheide) entsprechend den Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts. In Auswertung dieser Bescheide erließ das Finanzamt Y (Wohnsitzfinanzamt) anschließend am 20.07.2006 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1999 bis 2002 gegenüber den zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleuten B/C. Im Einkommensteuerbescheid 2002 wurden bei C neben den Einkünften aus selbständiger Arbeit aus der A & C GbR i.H.v. 367.243 € auch noch Beteiligungseinkünfte aus anderen Gesellschaften erfasst (Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 116.388 €). Die Einkommensteuer 2002 wurde auf 212.088 € festgesetzt (vorher 7.772 €).

Die S GmbH legte im Namen der GbR gegen die Feststellungsbescheide vom 22.06.2006 Einspruch ein, mit dem erneut beantragt wurde, die gegenüber C festgestellten Einkünfte stattdessen B zuzurechnen. Das Betriebstättenfinanzamt half dem Einspruch nach Anhörung des B mit Änderungsbescheiden vom 22.01.2007 ab. Es erfasste in den Feststellungsbescheiden vom 22.01.2...

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