rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsätzliche Steuerhinterziehung bei Nichterklärung steuerpflichtiger Zinsen aus Geldanlagen in der Türkei

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In der Nichterklärung von Zinsen aus inländischen Kapitalanlagen liegt ohne entgegenstehenden Tatbestandsirrtum eine – die Verlängerung der Festsetzungsfrist begründende – vorsätzliche Steuerhinterziehung, wenn seit 20 Jahren im Inland ansässige türkische Staatsbürger ungeachtet ihrer einfachen Schulbildung und geringen beruflichen Qualifikationen sich in so hinreichendem Maße mit Fragen der Kapitalanlage, der Vermögensbildung und ihrer steuerlichen Behandlung vertraut gezeigt haben, dass sie zumindest mit Eventualvorsatz die bestehende Steuerpflicht erkennen mussten.

2. In der Nichterklärung ausländischer Zinseinkünfte aus – dem Quellensteuerabzug unterliegenden – Geldanlagen bei einer türkischen Bank liegt ohne entgegenstehenden Tatbestandsirrtum eine vorsätzliche Steuerhinterziehung, wenn der Steuerpflichtige angesichts in sich widersprüchlicher Werbeaussagen der Bank nicht auf die inländische Steuerfreiheit der Erträge vertrauen kann und ungeachtet sich aufdrängender Zweifel weder qualifizierte Auskunftspersonen zu Rate zieht noch der Finanzbehörde die für die rechtliche Einordnung relevanten Tatsachen mitteilt.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 370 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 16 Abs. 1 S. 1; EStG § 1 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7; DBA-Türkei Art. 11 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1991, 1992

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Erlass von Änderungsbescheiden zur Einkommensteuer 1991 und 1992 wegen nicht erklärter Zinsen die Festsetzungsverjährung entgegenstand.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Ihre Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben sie jeweils im Folgejahr ab. Der Einkommensteuerbescheid 1991 datiert vom 30. Juni 1992 und der Einkommensteuerbescheid 1992 vom 15. Oktober 1993. Mit Schreiben vom 17. September 2001 informierte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) die Kläger darüber, dass steuerstrafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt ergeben hätten, dass sie Kapitalvermögen bei der „Bank U” („U”) in der Türkei angelegt hätten. Es sei daher eine Einzelaufstellung über die gesamten Kapitalanlagen und der daraus bezogenen Erträge für die Jahre 1990 bis 2000 vorzulegen. Die angeforderte Aufstellung ging Anfang 2002 beim FA ein. Danach hatten die Kläger in den Streitjahren Zinsen aus Kapitalanlagen bei der „U” sowie im Inland in folgender Höhe bezogen:

1991

1992

Klägerin

Kläger

Klägerin

Kläger

Zinsen „

U”

4.922,50

2.953,50

0,00

2.416,50

Zinsen „U”

14,73

8,85

0,00

2.416,50

Türkische Quellensteuer

551,64

428,00

0,00

540,00

Türkische Fondssteuer

35,50

20,50

0,00

27,00

Zinsen „E-Bank”

0,00

141,78

0,00

42,17

Zinsen „W-Bank, W-Stadt”

2.538,84

0,00

87,18

0,00

Zwischensumme

8.063,21

3.552,63

87,18

5.442,17

Gesamtsumme

11.615,84

5.529,35

Das FA änderte daraufhin die Einkommensteuerbescheide für 1991 und 1992 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) dahingehend ab, dass es Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 11.506 DM (1991) bzw. 5.529 DM (1992) ansetzte. Nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags sowie des Sparerfreibetrags ergaben sich danach Einkünfte in Höhe von 10.106 DM (1991) und 4.129 DM (1992). Ferner berücksichtigte das FA einen Steuerabzug für ausländische Einkünfte in Höhe von 926 DM (1991) bzw. 490 DM (1992) gem. § 34c Abs. 1 EStG.

Gegen die Änderungsbescheide vom 12. Februar 2002 legten die Kläger fristgemäß Einsprüche ein. Zur Begründung beriefen sie sich darauf, dass Verjährung eingetreten sei. Zwar seien seinerzeit Zinseinkünfte nicht zutreffend erklärt worden. Die Verjährungsfrist habe sich deswegen aber allenfalls wegen leichtfertiger Steuerverkürzung auf 5 Jahre verlängert. Von einer vorsätzlichen Begehensweise könne keine Rede sein, weil staatlicherseits und von Seiten der „U” darauf hingewiesen worden sei, dass die Zinsen in Deutschland nicht steuerpflichtig seien.

Das FA wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2002 als unbegründet zurück. Die Festsetzungsfrist verlängere sich gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO bei Steuerhinterziehung auf 10 Jahre. Eine solche vorsätzliche Steuerhinterziehung sei im Streitfall gegeben, da die Pflicht, Zinseinnahmen zu versteuern, spätestens 1988 bekannt gewesen sei. Denn in diesem Jahr hätten die Medien verstärkt über die Problematik der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Zinsen berichtet. Im Juli 1988 habe der Bundestag nach intensiven Beratungen ein Steueramnestiegesetz verabschiedet. Gleichzeitig sei zum 1.1.1989 die „kleine” Zinsabschlagsteuer in Höhe von 10% eingeführt worden. Auch dieser Vorgang habe zu erheblichen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. Des Weiteren habe jeder (zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtete) Steuerpflichtige ab 1988 eine Anlage KSO einreichen müssen. Darin sei er auf die Steuerpflicht von Zinsen, und zwar auch der ausländisc...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge