vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Finanzielle Eingliederung im Fall einer körperschaftsteuerlichen Organschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die finanzielle Eingliederung setzt auch im Fall einer körperschaftsteuerlichen Organschaft voraus, dass der Organträger über die qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Organgesellschaft verfügen muss, wenn laut deren Satzung für Beschlüsse generell oder ganz überwiegend eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist.
  2. Mit der einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG wird neben der Einkommenszurechnung auch über das Bestehen einer Organschaft als solches, als Grund der Einkommenszurechnung, entschieden.
 

Normenkette

KStG § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, Abs. 5

 

Streitjahr(e)

2015, 2015, 2016

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.08.2023; Aktenzeichen I R 50/20)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob zwischen der Klägerin zu 1. als vermeintliche Organträgerin (”OT“) und der Klägerin zu 2. als vermeintliche Organgesellschaft (”OG“) in den Jahren 2014-2016 (Streitjahre) eine ertragsteuerliche Organschaft bestand.

Die OT ist zu 79,8% an der OG beteiligt. Die übrigen Anteile an der OG hielten C (10,2%) und D (10%). Der Gesellschaftsvertrag der OG enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 7

Einschränkung der Geschäftsführung

Der oder die Geschäftsführer haben in folgenden Fällen die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen:

a) bei allen Rechtsgeschäften, die einen einmaligen Aufwand von

voraussichtlich mehr als DM 50.000,00 erfordern,

b) bei Verträgen, deren Vollzug durch Grundbucheintragung erfolgt,

c) bei Darlehensaufnahmen und Kreditgewährungen von mehr als DM

20.000,00.

§ 8

Gesellschafterversammlung/Gesellschafterbeschlüsse

Nr. 4 Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn die erschienenen Gesellschafter 100 % des Stammkapitals vertreten. Kommt eine beschlussfähige Gesellschafterversammlung nicht zustande, so ist eine neue Versammlung einzuberufen, die dann ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist; auf diesen Umstand ist bei der 2. Einberufung ausdrücklich hinzuweisen.

Nr. 6 Beschlüsse der Gesellschaft bedürfen einer Mehrheit von 91 % aller in der Gesellschafterversammlung anwesenden Stimmen, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung eine höhere Mehrheit verschreibt.

OG und OT schlossen in 2013 einen Gewinnabführungsvertrag (GAV) ab, dem alle Gesellschafter der OG mit notarieller Urkunde vom gleichen Tag zustimmten.

Für die Streitjahre führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung bei den Klägerinnen steuerliche Außenprüfungen durch. Ausweislich der Betriebsprüfungsberichte (Tz. 2.2 beim BP-Bericht OG bzw. Tz. 2.3 BP-Bericht OT) erkannte die Betriebsprüfung die Organschaft mangels finanzieller Eingliederung nicht an. Die abgeführten Gewinne i.H.v.…€ (2014),…€ (2015) und…€ (2016) seien als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln.

Der Beklagte folgte der Ansicht der Betriebsprüfung. Mit Bescheid vom 17.6.2019 hob der Beklagte gegenüber beiden Klägerinnen für die Streitjahre die zuvor erlassenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem OT zuzurechnenden Einkommens und sonstiger damit im Zusammenhand stehender Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vom 19.11.2015 (2014), 8.7.2016 (2015) und 8.11.2017 (2016) auf. Zur Begründung wurde angegeben, die Voraussetzungen für ein Organschaftsverhältnis i.S.d. §§ 14 ff. KStG seien nicht erfüllt.

Hiergegen legten die Klägerinnen Einsprüche ein. Entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung seien die Voraussetzungen der Organschaft, insbesondere die finanzielle Eingliederung gegeben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 21.11.2019 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Da laut Gesellschaftsvertrag der OG Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 91% aller in der Gesellschafterversammlung anwesenden Stimmen gefasst werden müssten und der OT nur zu 79,8% an der OG beteiligt sei, fehle es an der finanziellen Eingliederung.

Mit ihren einzeln erhobenen Klagen, die der Senat mit Beschluss vom 21.9.2020 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, wenden sich OG und OT gegen die Aberkennung der Organschaft. Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG erfordere, dass dem OT die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der OG zustehe. Dies sei vorliegend der Fall. Der Beklagte vertrete demgegenüber mit Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.11.2001 [V R 50/00, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2002, 167] die Auffassung, bei einer sog. qualifizierten Stimmenmehrheit sei weitere Voraussetzung i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, dass auch diese erreicht werde.

Schon der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG sei verunglückt und gebe den Willen des Gesetzgebers nicht richtig wieder. In BT-Drs. V/3017, 8, die die erstmalige Aufnahme der Organschaft in das KS...

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