Entscheidungsstichwort (Thema)

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung: Arzthaftungsprozess – Kostenerstattung als rückwirkendes Ereignis

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Kosten eines Zivilprozesses, in dem die Folgen einer falschen ärztlichen Behandlung geltend gemacht werden und in dem u.a. ausweislich der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens der Erfolg mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg, sind nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
  2. Eine Kostenerstattung, die dem Stpfl. in einem späteren Veranlagungszeitraum zufließt, ist als rückwirkendes Ereignis durch Änderung des Bescheides für das Jahr der Verausgabung zu berücksichtigen.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; AO § 175 Abs. 1 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.2015; Aktenzeichen VI R 7/14)

 

Tatbestand

In der Einkommensteuererklärung 2011 machte der Kläger u.a. Kosten für einen Zivilrechtsstreit iHv 12.137,50 € als außergewöhnliche Belastung geltend, und zwar Gerichtskosten () von 4.068 € und 2.550 €, Anwaltskosten von 1.519,50 € und Sachverständigenkosten von 4.000 €.

Im Bescheid vom 28. 11. 2012 erkannte der Beklagte die Aufwendungen nicht an, da diese nicht zwangsläufig entstanden seien. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und berief sich auf das Urteil des BFH VI R 42/10. Der Beklagte wies den Einspruch am 29. 4. 2013 unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 20. 12. 2011 zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

In dem Zivilprozess werde Schmerzensgeld für ärztliche Behandlungsfehler bei der aufgrund der falschen Behandlung verstorbenen Ehefrau des Klägers geltend gemacht, zudem die Feststellung begehrt, dass der beklagte Arzt zum Schadensersatz verpflichtet ist. Es gehe hierbei um die Rechte des Klägers sowie der beiden Kinder. Das Verfahren vor dem Landgericht () sei noch nicht beendet. Der Kläger übersandte die Klageschrift vom 28. 1. 2011 sowie weitere Schriftsätze in dem Zivilverfahren, das Gutachten des Universitätsklinikums () vom 29. 5. 2012 mit Stellungnahme des Beklagten sowie die Aufforderung des Landgerichts zur Ergänzung des Gutachtens.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 28. 11. 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. 4. 2013 dahingehend zu ändern, dass

Die Einkommensteuer unter Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen von 12.137,50 € niedriger festgesetzt wird,

hilfsweise Revisionszulassung.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung,

hilfsweise Revisionszulassung.

Der Beklagte bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmten Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Die Kosten eines Zivilprozesses können nach der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten ist nicht auf die Unausweichlichkeit des dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Vielmehr liegt für den Steuerpflichtigen die Unausweichlichkeit bereits darin, dass er, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten muss. Voraussetzung für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen ist jedoch, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Daher sind Zivilprozesskosten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das zur Entscheidung berufene Gericht im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen (BFH vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015; Nieders. FG vom 15. 5. 2013 9 K 238/12).

Die Rechtsverfolgung durch den Kläger erscheint nicht von vornherein aussichtslos und ist nicht mutwillig.

Im Streitfall handelt es sich um die Kosten eines Zivilverfahrens, in welchem die Folgen einer falschen ärztlichen Behandlung geltend gemacht werden. Nach den von dem Kläger eingereichten Unterlagen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gericht Gutachten in Auftrag gegeben hat, ist...

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