vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmäßigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung – Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Rechtsbehelfsbelehrung in einem Steuerbescheid entspricht auch dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn auf die Möglichkeit einer Einspruchseinlegung per E-Mail nicht hingewiesen wird (entgegen Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24. November 2011 10 K 275/11, EFG 2012, 292).

 

Normenkette

AO § 87a Abs. 1 S. 1, § 157 Abs. 1 S. 3, § 355 Abs. 1, § 356 Abs. 2 S. 1, § 357 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2008, 2009

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob Steuerbescheide noch zu Gunsten der Kläger geändert werden können.

Die Kläger sind Eheleute und hatten in den Kalenderjahren 2005 bis 2007 jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen. Die Klägerin hatte daneben zusätzlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Mit diesen Einkünften waren die Kläger gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden.

Da sie für die Streitjahre 2008 und 2009 zunächst keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hatten, hatte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt und Steuerbescheide mit folgenden Merkmalen erlassen:

2008

2009

Steuerbescheide vom

1.2.2011

1.2.2011

Vorbehalt der Nachprüfung

nein

nein

Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb aus nichtselbständiger Arbeit

19.000 EUR 46.732 EUR

21.000 EUR 48.289 EUR

Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit

51.623 EUR

52.297 EUR

Einkommensteuer

29.510 EUR

30.832 EUR

Die Steuerbescheide waren den Klägern förmlich zugestellt und nach dem Inhalt der Postzustellungsurkunden jeweils am 2.2.2011 in deren Briefkasten eingeworfen worden.

Mit einem am 3.3.2011 beim Beklagten eingegangenen Schreiben vom 2.3.2011 erhoben die Kläger gegen die vorgenannten Bescheide Einspruch und kündigten an, die Steuererklärungen nachzureichen. Dies geschah Mitte April 2011.

Nachdem der Beklagte die Kläger darauf hingewiesen hatte, dass der Einspruch seiner Ansicht nach verspätet eingelegt worden sei (Schreiben vom 4.3.2011), beantragten die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dazu teilten sie mit, dass sie die Frist bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hätten ausschöpfen wollen, um noch die Steuererklärungen vorbereiten zu können. Außerdem hätten sie persönlich unter einer starken psychischen Belastung gestanden, weil ihr Vater/Schwiegervater sie mit häufigen Arzt- und Krankenhausterminen sehr beansprucht habe. Im Übrigen seien sie sehr sicher gewesen, den Einspruch rechtzeitig einzulegen, denn die Bescheide zur Umsatzsteuer seien ihnen jeweils mit einfachem Brief zugegangen und daher habe die 3-Tages-Fiktion gegolten. Dies hätten sie auch für die Einkommensteuer angenommen und versäumt, die Rechtsbehelfsbelehrung im Hinblick auf die Abwicklung bei einer förmlichen Zustellung zu lesen. Ein solches Versehen, das zu einer Versäumnis von einem Tag geführt habe, könne sich ihrer Meinung nach bei steuerunkundigen Bürgern nicht nachteilig auswirken.

Der Beklagte verwarf den Einspruch unter dem 27.1.2012 als unzulässig. Zur Begründung verwies er auf die gesetzlich vorgesehene Rechtsbehelfsfrist, die die Kläger im Streitfall nicht eingehalten hätten. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte er ab, denn seiner Ansicht nach seien die Kläger nicht unverschuldet verhindert gewesen, die gesetzlich vorgesehene Einspruchsfrist einzuhalten. Wegen der Gründe im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 27.1.2012 Bezug genommen.

Im Klageverfahren haben die Kläger zunächst vorgetragen:

Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die nachgereichten Steuererklärungen schon im Hinblick auf die gegenüber den geschätzten Beträgen deutlich niedrigeren Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu bearbeiten und zu berücksichtigen. Im Streitfall sei nämlich nicht die einmonatige Rechtsbehelfsfrist des § 355 der Abgabenordnung (AO) anzuhalten, sondern die einjährige des § 356 Abs. 2 AO, weil die in den angefochtenen Bescheiden enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig gewesen sei. Der Beklagte habe nämlich über seine Internetseite den Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente im Sinne des § 87a AO eröffnet, denn auf dieser Seite sei die Möglichkeit, Einspruch gegen Steuerbescheide auch per E-Mail einzulegen, ausdrücklich hervorgehoben. Folgerichtig habe er in seinen Rechtsbehelfsbelehrungen ebenfalls auf diese Möglichkeit hinweisen müssen. Da der Hinweis jedoch unterblieben sei, seien die Rechtsbehelfsbelehrungen fehlerhaft. Zur näheren Begründung beziehen sich die Kläger auf ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24. November 2011 (10 K 275/11, abrufbar bei juris).

Unter dem 17.9.2012 hat der zur vorbereitenden Bearbeitung des Rechtsstreits zuständige Berichterstatter einen Gerichtsbescheid erlassen, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Die Kläger haben im Hinblick auf diesen Bescheid fristgerecht mündliche Verhandlung beantra...

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