rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Freibetrag bei Betriebsveräußerung wegen Berufsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Freibetragsregelung bei Gewinnen aus Betriebsveräußerung hängt auch nach der durch das JStG 1996 eingeführten Bezugnahme auf den sozialversicherungsrechtlichen Begriff der Berufsunfähigkeit nicht davon ab, ob der Steuerpflichtige auf andere zumutbare Tätigkeiten verwiesen werden kann, wenn diese in dem bisherigen Betrieb nicht ohne größere Schwierigkeiten ausgeübt werden können.

 

Normenkette

EStG 1996 § 16 Abs. 4 S. 1; SGB VI § 43 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die 1951 geborene Klägerin erzielte im Streitjahr einen Gewinn aus der Veräußerung ihres Gewerbebetriebs (Gaststätte) i.H. von 117.087 DM. Sie begann zum 1.4.1998 einen neuen Gewerbebetrieb (selbständige Handelsvertreterin im Getränkevertrieb).

Streitig ist, ob nach der durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 eingeführten Bezugnahme auf den sozialversicherungsrechtlichen Begriff der dauernden Berufsunfähigkeit in § 16 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Unternehmer auf andere zumutbare Tätigkeiten (hier: insbesondere die später ausgeübte Tätigkeit des Getränkehandels) verwiesen werden kann, wie dies in § 43 Abs.2 Satz 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI vorgesehen ist.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) ließ den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 19.10.1998 unberücksichtigt.

Dagegen richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch, mit dem die Kläger eine Bescheinigung des Amtsarztes vom 17.11.1998 vorlegten, wonach es der Klägerin aufgrund der gesundheitlichen Einschränkung nicht mehr möglich sei, selbständig einen gastronomischen Betrieb, verbunden mit Nachtarbeit, zu führen.

Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29.7.1999 als unbegründet zurück. Es führte aus:

Zur Definition der Berufsunfähigkeit verweise H 139 (14) des Einkommensteuer-Handbuchs (EStH) auf § 43 Abs. 2 SGB VI. Danach sei derjenige berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken sei. Gemäß R 139 (14) der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) reiche zum Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit die Vorlage eines Bescheids des Rentenversicherungsträgers aus. Im übrigen könnten auch amtsärztliche Bescheinigungen den Nachweis erbringen.

Die vorgelegte amtsärztliche Bescheinigung reiche aber als Nachweis einer dauernden Berufsunfähigkeit nicht aus. Die dort geschilderte Beeinträchtigung lasse nicht den Schluss zu, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin um mehr als die Hälfte krankheitsbedingt gesunken sei. Dies wäre aber Voraussetzung für die Anerkennung einer dauernden Berufsunfähigkeit und daraus folgernd die Gewährung eines Freibetrags nach

§ 16 Abs. 4 EStG.

Aus der vorgelegten Bescheinigung ergebe sich lediglich, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, selbständig einen gastronomischen Betrieb, verbunden mit Nachtarbeit zu führen. Damit sei nicht dokumentiert, dass die Erwerbsfähigkeit krankheitsbedingt um mehr als die Hälfte gesunken sei. Gemäß § 43 Abs. 2 (Satz 2) SGB VI umfasse der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen sei, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten. Dass der Klägerin auch andere Tätigkeiten außer der Führung eines gastronomischen Betriebes zugemutet werden könnten, habe sie selber unter Beweis gestellt, indem sie zum 1.4.1998 den neuen Gewerbebetrieb begonnen habe.

Die Kläger führen mit der fristgerecht erhobenen Klage u.a. aus: Die Klägerin könne ihren Beruf (Gastwirtin) nicht mehr ausüben. „Verweisungsberufe” für Gastwirte bestünden nicht. Auch die Tatsache, dass sich die Klägerin betätige, besage nichts. Alle nicht zumutbaren Tätigkeiten blieben außer Betracht. Das FA habe auch nicht zu belegen vermocht, dass die andere Tätigkeit vollschichtig ausgeübt werde.

Die Kläger haben ferner in der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz vom 19.2.2002 überreicht, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 19.10.1998 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 29.7.1999 dahin abzuändern, dass der Freibetrag i.H. von 60.000 DM gewährt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA hält an seiner bisher vertretenen Ansicht fest und beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. a) Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 60.00...

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