Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug der Insolvenzmasse für Kassenprüfungen – Leistungsempfänger bei Beauftragung des Kassenprüfers durch den Gläubigerausschuss – Prüfkosten als Masseverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen eines durch den Gläubigerausschuss beauftragten externen Kassenprüfers steht der durch den Insolvenzverwalter vertretenen Insolvenzmasse als Leistungsempfängerin zu (entgegen Schreiben des FM NRW vom 4.1.2012 ≪ S 7300 – 123 – V A 4 ≫).
  2. Die Kosten der Kassenprüfung sind keine Auslagen der Mitglieder des Gläubigerausschuss, sondern Masseverbindlichkeiten.
 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; InsO § 54 Nr. 2, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 69 S. 2

 

Streitjahr(e)

2010, 2011, 2012, 2013

 

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer AG in Liquidation ≪ Kläger als Insolvenzverwalter ≫. Es ist ein Gläubigerausschuss nach § 67 der Insolvenzordnung ≪ InsO ≫ eingerichtet. Streitig ist, ob der Kläger als Insolvenzverwalter Umsatzsteuern, die ihm von X ”für seine Tätigkeiten im Rahmen der vom Gläubigerausschuss in Auftrag gegebenen Kassenprüfungen“ in Rechnung gestellt worden sind, als Vorsteuern geltend machen kann.

Das Finanzamt erkannte die Beträge nicht als Vorsteuern an und setzte dementsprechend die Umsatzsteuern gegen den Kläger mit Bescheiden vom 21.5.2015 für 2010 und 2012, mit Bescheid vom 21.5.2013 für 2011 und mit Bescheid vom 22.10.2014 für 2013 fest.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zutreffender Leistungsempfänger der vom externen Prüfer erbrachten Kassenprüfungen sei – so heißt es in den Gründen der Einspruchsentscheidung – der Gläubigerausschuss. An diesen sei die Rechnung zu adressieren. Nicht der Gläubigerausschuss, sondern die Mitglieder des Gläubigerausschusses seien unmittelbar aus diesen Rechnungen des Prüfers vorsteuerabzugsberechtigt. Die Kosten habe das jeweilige Ausschussmitglied zunächst selbst zu entrichten, könne sie aber als Auslagen im Sinne des § 54 InsO vom Insolvenzgericht festsetzen lassen und Erstattung aus der Insolvenzmasse verlangen. Sofern die Ausschussmitglieder originär Unternehmer seien, seien die Vorsteuern bei ihnen abzugsfähig. Seien die Ausschussmitglieder keine Unternehmer, begründe der (weiterbelastete) Auslagenersatz für das insolvente Unternehmen keinen Vorsteueranspruch.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Umsatzsteuerfestsetzungen des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der AG in Liquidation sind rechtswidrig, soweit das Finanzamt Umsatzsteuern, die dem Kläger als Insolvenzverwalter ”für seine Tätigkeiten im Rahmen der vom Gläubigerausschuss in Auftrag gegebenen Kassenprüfungen“ betreffend 2010 – 2013 in Rechnung gestellt worden sind, nicht als Vorsteuern anerkannt hat; hierdurch ist der Kläger in seinen Rechten verletzt.

Der Vorsteueranspruch besteht zugunsten der Insolvenzmasse – denn der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch für Kassenprüfungen durch Dritte ist unmittelbar zwischen diesen und der Insolvenzmasse gegeben. So kann man schon ansatzweise auch das Schreiben des Finanzministeriums ≪ FM ≫ Nordrhein – Westfalen ≪ NRW ≫ vom 4.1.2012 (S 7300 – 123 – V A 4) verstehen, heißt es dort unter anderem auch:

”… Leistungsempfänger der Leistung … ist die Insolvenzmasse. … Die Überwachung und Unterstützung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters … trifft daher den Insolvenzverwalter als Rechtsträger des die Insolvenzmasse bildenden Vermögens. …“

Dies sieht der erkennende Senat ebenso.

Zwischen Insolvenzmasse und Kassenprüfern ist umsatzsteuerrechtlich aber nichts zwischengeschaltet – weder der Gläubigerausschuss an sich noch seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder einzeln. Für eine solche Zwischenschaltung gibt es keinen Anlass und auch keine rechtliche Grundlage.

Es erscheint gar in sich widersprüchlich, einerseits für die Kassenprüfung durch Dritte auf den Gläubigerausschuss als zutreffenden Leistungsempfänger abzustellen (so 1. Absatz 2 zu den ”Umsatzsteuerrechtlichen Beurteilungsgrundsätzen“ im Schreiben des FM NRW vom 4.1.2012 ≪ S 7300 – 123 – V A 4 ≫) – andererseits aber nicht den Gläubigerausschuss, sondern die Mitglieder des Gläubigerausschusses unmittelbar als aus der Rechnung des Prüfers/Sachverständigen vorsteuerabzugsberechtigt anzusehen (so 2. Absatz 1 zu den ”Umsatzsteuerrechtlichen Beurteilungsgrundsätzen“ im Schreiben des FM NRW vom 4.1.2012 ≪ S 7300 – 123 – V A 4 ≫). Auch gibt es nichts zwingend dafür, dass die Ausschussmitglieder mit ihrer Tätigkeit für den Gläubigerausschuss unternehmerisch tätig werden (so 2. Absatz 2 Satz 1 zu ”Umsatzsteuerrechtlichen Beurteilungsgrundsätzen“ im Schreiben des FM NRW vom 4.1.2012 ≪ S 7300 – 123 – V A 4 ≫) – es geht allein um die Wahrnehmung der Interessen der Gläubiger. Das mag unternehmerisch sein können, muss es aber nicht – beispielsweise dürfte es dem Vertreter der Arbeitnehmer nach § 67 Abs. 2 Satz...

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