vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung im Insolvenzverfahren – Ausübung des Wahlrechts zur Steuerfreiheit von Spielautomatenumsätzen durch den Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der auf der Ausübung des Wahlrechts zur Steuerfreiheit von Spielautomatenumsätzen durch den Insolvenzverwalter beruhende Anspruch auf Erstattung vor Insolvenzeröffnung festgesetzter und gezahlter Umsatzsteuer kann als bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingt entstandene Schuld nach § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Insolvenzforderungen des Finanzamtes aufgerechnet werden.
  2. Die Aufrechnung ist nicht gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbindung mit § 133 Abs. 1 InsO unzulässig, wenn das Finanzamt sich durch die - vor Ausübung des Wahlrechts - in Anwendung des nationalen UStG erfolgten Steuerfestsetzungen (hier: für die Jahre 1999 bis 2002) und deren Begleichung durch den Schuldner bzw. deren Einziehung außerhalb des Dreimonatszeitraums vor Insolvenzeröffnung und vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit keine inkongruente Deckung verschafft oder sonst mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat.
  3. Der Steuerschuldner erbringt an das Finanzamt keine unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 InsO, wenn der Rechtsgrund für die Zahlungen später infolge Aufhebung der Steuerfestsetzungen wegfällt.
  4. Die Klage des Insolvenzverwalters kann nur auf Änderung des Abrechnungsbescheids, mangels Rechtsschutzinteresse nicht aber unmittelbar auf Zahlung gerichtet werden.
 

Normenkette

InsO § 95 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 96 Abs. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 133 Abs. 1, § 134; AO § 218 Abs. 2, § 226 Abs. 1; RL 77/388 EWG Art. 13 f Teil B Buchst. F; UStG a.F. § 4 Nr. 9 Buchst. B; FGO § 40 Abs. 1 3. Alt.

 

Streitjahr(e)

1999, 2000, 2001, 2002

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.08.2015; Aktenzeichen VII R 29/14)

BFH (Urteil vom 18.08.2015; Aktenzeichen VII R 29/14)

 

Tatbestand

Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen des A (Schuldner), der Inhaber mehrerer Spielhallen war.

Die Umsatzsteuern für die Jahre 1999 bis 2002 wurden mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden festgesetzt. Die Umsatzsteuervorauszahlungen, die Abschlusszahlungen und die steuerlichen Nebenleistungen für diese Jahre wurden beginnend ab Vorauszahlung 2/2001 erst nach Mahnung nach Maßgabe der in der Gerichtsakte (GA), dortselbst Bl. 98 – 100 abgehefteten Aufstellung geleistet. Erstmals am 6.5.2003 erstellte der Beklagte eine Vollstreckungsankündigung. Darin war die Vollstreckung wegen rückständiger Lohnsteuer aus der Anmeldung für das 1. Quartal 2003 und wegen rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen für November und Dezember 2002 sowie der dazu gehörenden Nebenleistungen angedroht. Am 22.5.2003 leistete der Schuldner eine zur vollständigen Tilgung nicht ausreichende Zahlung in Höhe von 5.000 Euro, die auf die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2002 angerechnet wurde. Weitere Zahlungen auf die Umsatzsteuern/Nebenleistungen leistete der Schuldner nicht. Wegen der Restforderung unternahm der Beklagte weitere Vollstreckungsversuche; am 20.6.2003 und am 26.6.2003 erfolgten Drittschuldnerzahlungen, von denen ein Teil auf die Umsatzsteuervorauszahlungen 11/2002 verbucht wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Gerichtsakten abgeheftete Aufstellung über die Tilgung der Umsatzsteuern/der dazu gehörenden Nebenleistungen der Jahre 1999 bis 2002 Bezug genommen, aus der sich ergibt, dass bei Stellung des Insolvenzantrages die Umsatzsteuern der Jahre 1999 bis 2002 vollständig getilgt waren.

Bis zum Ablauf des Jahres 2003 lagen dem Beklagten weder die Bilanzen noch die Steuererklärungen der Jahre 2001 und 2002 vor. Aus den Bilanzen ergibt sich für das Jahr 2001 ein Gewinn von 342.645 DM und für das Jahr 2002 von 180.316 Euro.

Am 20.10.2004 stellte die B wegen für die Zeit vom 1.5.2004 bis 31.8.2004 rückständiger Krankenkassenbeiträge in Höhe von 6.940 Euro einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners (Bl. 110 ff GA). Mit Beschluss des Amtsgerichts C () vom 17.3.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 37 GA), der den Insolvenzbericht vom 15.4.2005 verfasste (Bl. 117 GA), in dem es unter anderem heißt, dass der Schuldner „ im August 2004 die Zahlungen eingestellt „ und „bereits im Januar 2004 nicht in der Lage war, seine fälligen Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt X vollständig zu bedienen. Bereits damals brachte das Finanzamt X Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus, auf die der Insolvenzschuldner Abschlagszahlungen (im Januar 2004 von Euro 10.000) leistete. Kurz darauf begannen auch Sozialversicherungsträger, gegen den Schuldner aufgrund von Rückständen in Größenordnungen von 400 bis 500 Euro zu vollstrecken. Seine Mieten beglich der Insolvenzschuldner regelmäßig mit einer Verspätung von mindestens zwei Monaten. Die Stadt L kassierte die anfallende Vergnügungs...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge