Entscheidungsstichwort (Thema)

In den Niederlanden nichtselbständig tätiger hat keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld in Höhe der Differenz zu den niederländischen Familienleistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein in Deutschland wohnhafter und in den Niederlanden nichtselbständig tätiger Grenzgänger, der ausschließlich in den Niederlanden sozialversichert ist und dort Familienleistungen bezieht, hat unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der VO (EWG) 1408/71 nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld in Höhe der Differenz zu den niederländischen Familienleistungen.
  2. Die Familienleistungen in den Niederlanden sind ungeachtet ihrer geringeren Höhe mit den deutschen Kindergeldansprüchen vergleichbar i. S. von § 65 EStG.
  3. Der Regelung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verstößt weder gegen gemeinschaftsrechtliche noch gegen verfassungsrechtliche Vorschriften.
 

Normenkette

EStG §§ 31, 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 2, 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a; VO (EWG) Nr. 1408/71 Anhang I Teil I D Buchst. a; EG Art. 39; GG Art. 3 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2010

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.07.2013; Aktenzeichen VI R 68/11)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Vater der beiden Kinder „O” (geb. am „...” 2005) und „E” (geb. am „...” 2005). Von der Kindesmutter lebt der Kläger seit 2008 dauernd getrennt. Die beiden Kinder gehörten zunächst dem Haushalt der Mutter an, leben aber seit dem 1. Januar 2010 wieder beim Kläger. Der Kläger arbeitet in den Niederlanden; er unterliegt nicht dem deutschen Sozialversicherungssystem.

Den Kindergeldantrag des Klägers vom 4. Januar 2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2010 mit der Begründung ab, dass der Kläger in das soziale Sicherungssystem der Niederlande integriert sei und den dortigen Vorschriften über Familienleistungen unterliege; deutsches Kindergeld sei daher nach der Konkurrenzvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG- ausgeschlossen. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, ungeachtet der Bewilligung niederländischen Kindergeldes auf seinen dortigen Antrag von Dezember 2009 hin stehe ihm jedenfalls der Differenzbetrag zu; das Kindergeld in den Niederlanden sei niedriger bemessen (rd. 60 EUR). Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2010 als unbegründet zurück. Die niederländischen Leistungen schlössen den inländischen Kindergeldanspruch ungeachtet ihrer geringeren Höhe aus.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Rechtslage sei keineswegs eindeutig, zumal die Beklagte in vergleichbarer Situation im Jahr 2006 Differenzkindergeld gezahlt habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2010 zu verpflichten, ihm Kindergeld für die beiden Kinder „O” und „E” von Januar 2010 an in Höhe der Differenz zu den niederländischen Familienleistungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Kindergeldakten Bezug genommen.

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhand-lung, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtene Ablehnung der Kindergeldgewährung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 101 Satz 1 FGO.

Der Kläger, wohnhaft gemäß § 8 der Abgabenordnung im Inland, ist anspruchsberechtigt nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Die beiden minderjährigen Kinder des Klägers sind gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG steuerlich berücksichtigungsfähig.

Der tatbestandsmäßig dem Grunde nach vorliegende inländische Kindergeldanspruch wird hier nicht durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen.

Zwar unterfällt das Kindergeld dem sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden: VO Nr. 1408/71). Beim Kindergeld handelt es sich um eine Familienleistung i. S. von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung (Urteil des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2004, 2570).

Deren Art. 13 ff. bestimmen, welche Rechtsvorschriften auf innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandernde Erwerbstätige anzuwenden sind. Die Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 bezwecken damit, dass die Betroffenen grundsätzlich nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, um eine Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften und der sich daraus möglicherweise ergebenden Schwierigkeiten zu vermeiden (Urteile des Europäischen G...

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