Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende ausländische Einkünfte fallen unter den Progressionsvorbehalt unabhängig davon, ob das einschlägige DBA ausdrücklich der Bundesrepublik ein Besteuerungsrecht mit Progressionsvorbehalt einräumt

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Einkünfte eines japanischen Staatsangehörigen, die er nach Beendigung seines Aufenthalts im Inland im gleichen Veranlagungszeitraum im Heimatland erzielt, unterliegen auch dann dem Progressionsvorbehalt, wenn nach Wegfall seiner unbeschränkten Steuerpflicht keine im Inland zu besteuernden Einkünfte mehr anfallen.
  2. Die innerstaatliche Regelung des Progressionsvorbehalts ist unabhängig davon anzuwenden, ob das DBA-Japan der Bundesrepublik Deutschland als Ansässigkeitsstaat ein solches Besteuerungsrecht ausdrücklich einräumt.
  3. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht unterliegt keinen verfassungs- oder völkerrechtlichen Bedenken und verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des DBA-Japan.
 

Normenkette

EStG § 32b Abs. 1 Nrn. 2-3; DBA JPN Art. 15, 23 Abs. 1a S. 2, Art. 24 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

1998

 

Tatbestand

Der Kläger ist japanischer Staatsangehöriger. Er lebte im Streitjahr 1998 vom 01. Januar 1998 bis zum 29. April 1998 in der Bundesrepublik Deutschland. Während seines Aufenthalts im Inland war der Kläger bei einem inländischen Unternehmen nichtselbständig tätig und erhielt für diesen Zeitraum einen Arbeitslohn in Höhe von

113.721,- DM.

Danach kehrte er nach Japan zurück. Nach dem Wegzug erzielte der Kläger in Japan Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, die den Angaben des Klägers zufolge umgerechnet 113.516,- DM betrugen.

Im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 3. März 2000 legte der Beklagte als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit den in Deutschland erzielten Betrag von 113.721,- DM zugrunde; den Steuersatz ermittelte er jedoch unter Einbeziehung der in Japan erzielten Einkünfte nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz - EStG - , wobei er Einkünfte in Höhe von 133.516,- DM annahm, und setzte die Einkommensteuer auf 46.868,- DM fest.

Mit seinem Einspruch vom 16. März 2000 wandte sich der Kläger u.a. gegen die Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2000 versah der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung hinsichtlich hier nicht streitiger Punkte mit einem Vorläufigkeitsvermerk.

Nachdem der Bundesfinanzhof - BFH - mit Urteilen vom 19. Dezember 2001 (I R 63/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2002, 584) und vom 15. Mai 2002 (I R 40/01, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 660) die wortlautgetreue Auslegung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG für rechtens erklärt hatte, machte der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2002 geltend, die Entscheidung des BFH (I R 63/00 vom 19. Dezember 2001) beruhe auf einer Änderung der Rechtsprechung zu einer anderen Vorschrift, nämlich zu § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG. Danach habe entgegen der bisherigen Auffassung der Progressionsvorbehalt auf DBA-befreite Einkünfte nicht konstitutiven, sondern nur deklaratorischen Charakter. Er sei insbesondere nicht davon abhängig, dass Deutschland Ansässigkeitsstaat sei.

Erst unter Zugrundelegung dieser geänderten Rechtsauffassung zu einer anderen Vorschrift komme der BFH zu dem Ergebnis, dass dann auch § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht mehr gegen DBA-Recht verstoße, weil es den Progressionsvorbehalt für nicht Ansässige nicht verbiete. Wenn aber alle DBA-befreiten Einkünfte dem Progressionsvorbehalt unterlägen, unabhängig von der Ansässigkeit in Deutschland, seien unter Nr. 2 der Vorschrift fallende Steuerpflichtige zukünftig auch nicht mehr schlechter gestellt als unter Nr. 3 der Vorschrift fallende Steuerpflichtige.

Der BFH übersehe jedoch, dass es erst der Änderung seiner eigenen Rechtsprechung zu § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG bedurfte, um Nr. 2 der Vorschrift in Einklang zu bringen mit DBA-Recht und dem Gleichheitsgrundsatz. Die Änderung der Rechtsprechung zu § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG beseitige jedoch den Verstoß der Nr. 2 der Vorschrift gegen den Gleichheitsgrundsatz und DBA-Recht nicht rückwirkend. Durch Änderung der Rechtsprechung stelle der BFH somit incidenter für die Zeit bis zum Bekanntwerden seines Urteils in der Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG einen Verstoß gegen DBA-Recht und den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - fest. Es sei auch kein Präzedenzfall ersichtlich, wonach es zulässig wäre, die Rechtsprechung zu einer anderen Vorschrift (hier: § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG) zu ändern, um auf diesem Wege eine bestimmte Vorschrift (hier: § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG) rückwirkend verfassungskonform und in Übereinstimmung mit höherrangigem DBA-Recht auszulegen.

Insoweit, als nach der alten DBA-Rechtsauffassung zu § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG verfahren worden sei, ergebe sich ein Verstoß der Nr. 2 der Vorschrift gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, es sei den...

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