Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung eines elektronisch übermittelten Verwaltungsaktes als Bekanntgegeben am dritten Tag nach Absendung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Klage kann wirksam durch Übersendung der Klageschrift per E-Mail erhoben werden, wenn der Landesverordnungsgeber von der Ermächtigungsgrundlage des § 52a Abs. 1 Satz 1 FGO Gebrauch gemacht hat und damit der elektronische Rechtsverkehr mit dem FG eröffnet ist.
  2. Der Wirksamkeit der Klageerhebung steht mangels zwingender Anordnung in § 2 Abs. 3 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen – ERVVO NW (GVBl NRW vom 16.12.2005 Nr. 43, 926 ff.) nicht entgegen, dass der E-Mail keine qualifizierte digitale Signatur beigefügt wird. Die Regelung des § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO richtet sich ausschließlich an den Verordnungsgeber (vgl. BFH-Beschluss vom 30.3.2009 II B 168/08, BFH/NV 2009, 1037).
  3. Unabhängig davon stellt die fehlende eigenhändige Unterschrift bei einer Klageerhebung per E-Mail keinen Verstoß gegen § 64 Abs. 1 FGO dar.
  4. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, warum eine bestimmungsgemäß von der elektronischen Poststelle des FG ausgedruckte E-Mail in Bezug auf das Schriftform- und Authentizitätserfordernis anders als etwa ein Computerfax, Telegramm oder Funkfax zu behandeln sein sollte.
 

Normenkette

FGO § 47 Abs. 1 S. 1, § 52a Abs. 1, 2 S. 1, § 64 Abs. 1; AO § 122 Abs. 2a; SigG § 2 Nr. 3; ERVVO NW § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 4 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2006

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde im Streitjahr 2006 alleine zur Einkommensteuer veranlagt. Im Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 17. Oktober 2008 erfasste der Beklagte (das Finanzamt – FA –) abweichend von der Erklärung einen Überschuss aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 75.778 EUR. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Da sie den Einspruch jedoch nicht begründete, wies das FA diesen mit Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009, übersandt am gleichen Tag per Fax, als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klageschrift übersandte die Klägerin zunächst per E-Mail. Diese, bestehend aus einem halbseitigen Anschreiben und der einseitigen Klageschrift als Textdatei in einem Anhang – ging am 14. Februar 2009 im elektronischen Postfach des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf ein und wurde dort am gleichen Tag ausgedruckt. Das per Post übersandte Original ging am 18. Februar 2009 beim FG ein. In der Akte befindet sich ferner ein Ausdruck der Klageschrift, der mit einem Fax-Absendungsvermerk versehen ist. Dieser trägt die Fax-Nummer des Bevollmächtigten und datiert vom 16. Februar 2009, 23:56 Uhr. Dieser Ausdruck trägt keinen Eingangsstempel und ging erst am 27. Februar 2009 auf der Senatsgeschäftsstelle ein. Im Faxjournal des FG ist zu der angegebenen Uhrzeit die Übertragung eines Faxes ohne Nummer mit einer Übertragungsdauer von 6:06 Minuten und 9 Seiten vermerkt.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 17. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 in Bezug auf den Veräußerungsgewinn des Grundstücks in Z-Stadt, insoweit zu ändern, dass weitere, noch zu beziffernde Veräußerungskosten und höhere Anschaffungskosten berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Senat entscheidet über die Frage der Zulässigkeit gem. § 97 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Zwischenurteil.

II. Die Klage ist zulässig.

Die einmonatige Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gewahrt. Die Klägerin hat ihre Klage innerhalb der Klagefrist wirksam im Wege der Übersendung der Klageschrift per E-Mail erhoben. Dem steht nicht entgegen, dass der E-Mail keine qualifizierte digitale Signatur beigefügt war. Ob innerhalb der Klagefrist wirksam Klage per Fax erhoben wurde, konnte daher dahinstehen.

1. Die Klägerin hat innerhalb der Klagefrist Klage per E-Mail erhoben. Das FA hat die Einspruchsentscheidung am 12. Januar 2009 per Fax übersandt. Gem. § 122 Abs. 2a der Abgabenordnung (AO) gilt ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt – hierzu gehört auch die Bekanntgabe per Fax – am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben, hier also am 15. Januar 2009 (einem Donnerstag). Die einmonatige Klagefrist gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO begann damit gem. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. §§ 187 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am 16. Januar 2009 und endete am 16. Februar 2009. Denn bei dem 15. Februar 2009 handelte es sich um einen Sonntag, so dass sich das Fristende auf den Folgetag verschob (§ 222 Abs. 2 ZPO). Die E-Mail ging am 14. Februar 2009 und damit innerhalb der Klagefrist beim FG ein.

2. Nach Ansicht des Senats ist vorliegend bereits die Klageerhebung per E-Mail wirksam und fristwahrend erfolgt.

Die Voraussetzungen für eine elektronische Kommunikation mit dem FG sind allesamt erfüllt. Der elektronische Rechtsverkehr mit dem FG ist in NRW durch die „Verordnung über den elektronisc...

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