Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen bei der Ermittlung von Bezügen und Einkünften eines Kindes im Rahmen der Kindergeldfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für die Auslegung eines Bescheides nach Maßgabe des objektiven Verständnishorizonts des Empfängers ist neben dem Tenor auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der Begründung des Bescheides abzustellen.
  2. Wird ein im Jahr 2002 ergangener Bescheid, mit dem die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung vom 01.01.2000 aufgehoben wird, damit begründet, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag im Kalenderjahr 2000 übersteigen, kann der Adressat den Bescheid dahingehend verstehen, dass die Behörde die Kindergeldfestsetzung ausschließlich für das Jahr 2000 aufheben will.
  3. Eine Bindungswirkung des Aufhebungsbescheides bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe kann in diesem Fall nicht angenommen werden.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 70 Abs. 4; BGB §§ 133, 157

 

Streitjahr(e)

1999, 2000, 2001

 

Tatbestand

Der Kläger ist der Vater des Sohnes BA (geb. am 25.07.1979), der nach Beendigung seiner Schulausbildung vom 01.08.1999 bis zum 31.01.2002 eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolvierte. Streitig ist das Bestehen eines Kindergeldanspruches für das Jahr 2001.

Auf Aufforderung des Beklagten legte der Kläger eine Ausbildungsbescheinigung für den Sohn vom 19.02.1999 vor, aus der sich u.a. die voraussichtlichen monatlichen Bruttoarbeitsvergütungen ab August 1999 bis zum Ausbildungsende ergeben. Ab dem 01.01.2000 stellte der Beklagte die Kindergeldzahlungen ein. Mit Schreiben vom 08.11.2001 forderte der Beklagte den Kläger zur abschließenden Prüfung der Zahlungen auf, für das Jahr 1999 Nachweise über die erzielten Bruttoeinkünfte vorzulegen. Ferner wies der Beklagte darauf hin, dass der Sohn im Kalenderjahr 2000 Einkünfte i. H. v. 13.500 DM hätte verdienen dürfen, um weiterhin Kindergeld zu erhalten. Nach einer der Familienkasse vorliegenden Ausbildungsbescheinigung aus dem Jahr 1999 liege der Sohn über der Einkommensgrenze. Sollte der Sohn erhöhte Werbungskosten geltend machen können, so werde gebeten, die anliegenden Vordrucke vollständig auszufüllen. Im Schreiben vom 09.07.2002 forderte der Beklagte den Kläger nach vorausgegangenen unbeantworteten weiteren Anfragen nochmals auf, Nachweise über das Einkommen des Sohnes vom 01.08.1999 bis 31.12.1999 vorzulegen. Der Kläger übermittelte dem Beklagten darauf die Gehaltsabrechungen des Sohnes für das Jahr 1999. Der Beklagte stellte anschließend anhand einer internen Berechnung der Einkünfte und Bezüge fest, dass der Grenzbetrag für 1999 nicht überschritten werde. Im Bescheid vom 01.08.2002 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab dem 01.01.2000 auf. Zur Begründung stellte der Beklagte darauf ab, dass die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, weil der Sohn Einkünfte und Bezüge von mehr als 13.500 DM im Kalenderjahr 2000 bezogen habe.

Mit Schreiben vom 13.07.2005 teilte der Kläger mit, dass die Ausbildungsvergütung für BA für das Jahr 2001 unterhalb der Höchstgrenze liege. Er bitte deshalb um Mitteilung, ob eine nachträgliche Auszahlung des Kindergeldes möglich sei und welche Unterlagen für eine Bewilligung vorzulegen seien. Der Beklagte forderte den Kläger darauf hin für den Fall, dass die Leistungen für 2001/2002 unter Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten beantragt würden, auf, diese durch die Ausfüllung der beigefügten Vordrucke und die Vorlage entsprechender Nachweise darzulegen.

Der Kläger teilte im Schreiben vom 15.08.2005 mit, dass er für das Jahr 2001 keine Leistung mehr beantragt habe, da nach der damaligen Auffassung das Bruttoeinkommen des Sohnes auch nach Abzug der Werbungskosten zu hoch ausfalle. Nach dem zwischenzeitlich veröffentlichten Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) habe sich die Situation dahingehend geändert, dass das Jahreseinkommen des Sohnes die Bemessungsgrenze von 14.040 DM unterschreite. Zugleich legte der Kläger eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen des Sohnes für das Jahr 2001 und den Einkommensteuerbescheid 2001 vor.

Im Bescheid vom 02.09.2005 lehnte der Beklagte eine Kindergeldfestsetzung ab. Der Bescheid enthält zugleich die Ablehnung eines Kindergeldantrages für die Tochter CA des Klägers, die jedoch nicht streitgegenständlich ist. Zur Begründung der Ablehnung bzgl. des Sohnes BA verwies er auf die Bestandskraft des Bescheides vom 01.08.2002, dessen Bindungswirkung bis einschließlich des Monats seiner Bekanntgabe reiche. Die Bestandskraft des Bescheides stehe auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 11.01.2005 einer erneuten Entscheidung entgegen.

Gegen den Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und führte zur Begründung aus: Aus der Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2005 folge, dass § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der damals vorgenommenen Auslegung verfassungswidrig sei. Da die Regelung die Grundlage für den vorausgegangenen Beschei...

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