Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Berücksichtigung eines arbeitsunfähigen Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG – Erforderlichkeit der Meldung als Arbeitsuchender

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Auch ein infolge Verletzung arbeitsunfähiges, beschäftigungsloses Kind ist vor Vollendung des 21. Lebensjahres im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG kindergeldrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn es als Arbeitsuchender gemeldet ist.
  2. Der Eigenschaft als Arbeitsuchender steht nicht entgegen, dass die Leistungsfähigkeit des Suchenden wegen Krankheit vorübergehend, d. h. bis zu 3 Monaten, aufgehoben ist.
  3. Dies gilt bei entsprechender ärztlicher Prognose auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich 10 Monate andauert.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 70 Abs. 2; SGB III § 15 S. 2, § 37b

 

Streitjahr(e)

2007, 2008

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.07.2016; Aktenzeichen III R 19/15)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für ihren ….1987 geborenen Sohn A für den Zeitraum von Dezember 2007 bis Juli 2008 zu Recht Kindergeld bezogen hat.

Die Klägerin wohnte zunächst in B-Stadt und bezog fortlaufend Kindergeld für ihren Sohn. Nachdem dieser eine Ausbildung … vorzeitig zum 31.01.2007 beendet hatte, war er zunächst arbeitslos gemeldet und bezog Arbeitslosengeld II. Zum 27.09.2007 wurde er aufgrund eines zweiten Meldeversäumnisses aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet. Seit dem 08.11.2007 war der Sohn der Klägerin bei der Zeitarbeitsfirma C-GmbH in D-Stadt beschäftigt. Bei einem Arbeitsunfall am 29.11.2007 erlitt er …. Nach dem Bericht des Durchgangsarztes Prof. Dr. E vom 29.11.2007 war davon auszugehen, dass er ab dem 25.01.2008 wieder arbeitsfähig sein würde. Er wurde am 06.12.2007 operiert. Infolge des Arbeitsunfalls war A bis zum 30.9.2008 arbeitsunfähig und bezog Verletztengeld. Das Arbeitsverhältnis wurde von der C-GmbH zum 06.12.2007 gekündigt. Im Oktober 2008 meldete sich A arbeitsuchend.

Mit Bescheid vom 31.03.2009 hob die Familienkasse F-Stadt die Kindergeldfestsetzung für A ab Oktober 2007 auf und forderte für den Zeitraum von Oktober 2007 bis Juli 2008 bereits gezahltes Kindergeld i.H.v. 1.540 € zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Sohn der Klägerin befinde sich nicht mehr in Berufsausbildung. Eine anschließende Arbeitslosigkeit sei nur bis zum 26.09.2007 nachgewiesen. Eine erneute Arbeitslosmeldung sei erst im Oktober 2008 erfolgt.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 27.04.2009 Einspruch ein. Hinsichtlich des in diesem Verfahren noch streitigen Zeitraums Dezember 2007 bis Juli 2008 machte sie geltend, dass das Arbeitsamt in G-Stadt ihren Sohn nicht habe als arbeitslos führen wollen. Dies sei ihr nicht anzulasten. Zudem sei ihr Sohn bis Oktober 2008 arbeitsunfähig gewesen.

Nachdem die Klägerin von B-Stadt nach H-Stadt umgezogen war, wies die nunmehr zuständige Familienkasse I-Stadt den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.03.2013 als unbegründet zurück. Eine Berücksichtigung sei nicht möglich gewesen, weil A im Streitzeitraum nicht bei der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit bzw. des Leistungsträgers nach dem SGB II (Jobcenter) arbeitsuchend gemeldet gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der am 03.04.2013 erhobenen Klage. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses wie folgt: Jedenfalls bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres im Juli 2008 habe eine Kindergeldberechtigung für A bestanden, da er infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig gewesen sei. Die Meldepflicht bei der Arbeitsagentur als Arbeitsuchender könne keinem Selbstzweck dienen. Mit der Meldung werde belegt, dass sich das Kind um Arbeit bemühe. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit würde eine solche Meldung jedoch keinen Sinn machen, da das Kind nicht vermittelbar sei.

Die Berücksichtigung eines Kindes sei zudem nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung auch möglich, wenn das Kind wegen Erkrankung nicht arbeitsuchend gemeldet sei. Es entziehe sich ihrer Kenntnis, weshalb die Familienkasse F-Stadt das nach der Durchführungsverordnung zum Nachweis vorgeschriebene amtsärztliche Attest nicht angefordert habe. Dies dürfe sich jedoch nicht nachteilig für sie auswirken.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 31.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.03.2013 aufzuheben, soweit darin die Kindergeldfestsetzung für die Monate Dezember 2007 bis Juli 2008 aufgehoben und Kindergeld für diese Monate zurückgefordert wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf Ihre Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und macht weiter geltend, dass sich aus den vorgelegten Bescheinigungen der gesetzlichen Unfallversicherung zwar eine Arbeitsunfähigkeit von A in der Zeit vom 30.11.2007 bis zum 30.9.2008 ergebe. Damit sei aber nicht nachgewiesen, dass er sich in der gesamten streitigen Zeit wegen Erkrankung bei der zuständigen Agentur für Arbeit nicht habe arbeitsuchend melden können.

Mit Beschluss des...

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