Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsbescheid. Antrag auf mündliche Verhandlung. Rechtsmissbrauch. Verhandlungsgebühr. Erledigungsgebühr. Umsatzsteuer 1996

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Finanzamt handelt rechtsmissbräuchlich, wenn es nach dem Ergehen eines klagestattgebenden Gerichtsbescheides Antrag auf mündliche Verhandlung stellt und den Erlass eines dem Gerichtsbescheid Rechnung tragenden Änderungsbescheides ankündigt, um dadurch den Anfall der Verhandlungsgebühr zu verhindern.

 

Normenkette

FGO § 90a Abs. 2; BRAGO §§ 117, 24

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.03.2006; Aktenzeichen V R 12/04)

 

Tenor

1. Der Gerichtsbescheid vom 3. November 2003 wirkt als Urteil.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine in C ansässige S.A., wurde am 13. April 1994 in C gegründet. Gründungsgesellschafter waren die D S.A., C, und E, C. Der Geschäftszweck des Unternehmens der Klägerin besteht in der Organisation von sportlichen und kulturellen Aktivitäten.

Die Klägerin hat als ausländischer Unternehmer für 1994 und 1995 beim Beklagten Umsatzsteuererklärungen eingereicht. Am 10. Oktober 1997 ging beim Beklagten die Umsatzsteuererklärung der Klägerin für 1996, das Streitjahr, ein, mit der sie die Erstattung eines Vorsteuerüberschusses i.H.v. 207.847,22 DM begehrt. Durch Bescheid vom 4. September 1998 hat der Beklagte die Durchführung der Umsatzsteuerveranlagung 1996 abgelehnt, weil die Klägerin nur eine Strohmannfunktion ausfülle und deshalb nicht selbst Unternehmerin sei (Bl. 115 USt). Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin beantragte (Bl. 1, 38),

den Beklagten zur Durchführung der Umsatzsteuerveranlagung 1996 entsprechend den Angaben in der Steuererklärung zu verpflichten und einen Erstattungsanspruch i.H.v. 207.847 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Durch Gerichtsbescheid vom 3. November 2003 hat der Senat der Klage weitgehend stattgegeben (Bl. 69 ff.) und wie folgt tenoriert:

  1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 4. September 1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 15. März 2000 wird dem Beklagten aufgegeben, die Umsatzsteuerveranlagung 1996 nicht mit der Begründung abzulehnen, die Klägerin sei nicht unternehmerisch tätig geworden.
  2. Soweit die Klägerin die Festsetzung eines Erstattungsbetrages i.H.v. 207.847 DM beantragt, wird die Klage als unzulässig verworfen.
  3. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
  4. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.

Am 26. November 2003 ging beim Finanzgericht folgender Schriftsatz des Beklagten vom 25. November 2003 ein (Bl. 85 ff.):

„Hiermit beantrage ich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gleichzeitig erkläre ich den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom heutigen Tage den Bescheid vom 4.9.1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 15.3.2000 über die Ablehnung einer Umsatzsteuerveranlagung 1996 gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgehoben. Eine Abschrift dieses Bescheides füge ich gemäß § 68 S. 3 FGO bei. Weiterhin verpflichtet sich der Beklagte, die Umsatzsteuerveranlagung 1996 nicht mit der Begründung abzulehnen, die Klägerin sei nicht unternehmerisch tätig geworden.”

Mit Schreiben vom 27. November 2003 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Wirksamkeit des Antrages auf mündliche Verhandlung bestehen.

Die Klägerin beantragt,

das Gericht möge feststellen, dass der Gerichtsbescheid vom 3. November 2003 als Urteil wirkt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unzulässig zu verwerfen.

Der Antrag auf mündliche Verhandlung sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte nehme legitime Verfahrensinteressen wahr, indem er eine möglichst kostengünstige Erledigung des Rechtsstreites anstrebe. Das Interesse der Klägerin werde hierdurch nicht berührt. Das Interesse ihres Vertreters an einer weiteren Gebühr sei nicht schutzwürdig. Auch der Zweck des § 90a FGO, dem Gericht eine bisweilen zeitraubende mündliche Verhandlung zu ersparen, werde ebenfalls nicht unterlaufen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Gerichtsbescheid vom 3. November 2003 wirkt als Urteil.

1. Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden (§ 90 a Abs. 1 FGO). Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids Antrag auf mündliche Verhandlung stellen (§ 90 a Abs. 2 S. 1 FGO). Wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen (§ 90 a Abs. 3 FGO). Bestehen Zweifel über die Wirksamkeit des Antrags auf mündliche Verhandlung, entscheidet das Gericht hierüber aufgrund mündlicher Verhandlung (BFH vom 12. August 1981 I B 72/80, BStBl. II 1982, 128).

2. Das Recht eines Beteiligten, nach § 9...

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