rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ernstliche Zweifel an der Zulässigkeit einer wiederholten Festsetzung eines Verzögerungsgeldes wegen Nichtvorlage derselben Buchführungsunterlagen. Wechsel des Verfahrensgegenstands bei Ergehen von geänderten Bescheiden betreffend die erstmalige und die wiederholte Festsetzung eines Verzögerungsgeldes. Rechtscharakter und Zweck eines Verzögerungsgeldes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i. S. d. § 200 Abs. 1 AO von § 146 Abs. 2b AO gedeckt ist; insoweit kommt keine analoge Anwendung von § 332 Abs. 3 AO in Betracht.

2. Ändert das FA die erstmalige und die wiederholte Festsetzung eines Verzögerungsgeldes wegen derselben angeforderten Unterlagen während des finanzgerichtlichen Vollziehungsaussetzungsverfahrens, so werden die geänderten Bescheide in analoger Anwendung von § 68 FGO zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.

3. Geht das Finanzamt im Änderungsbescheids betreffend die erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nicht darauf ein, dass zwischenzeitlich ein erneutes, betragsmäßig höheres Verzögerungsgeld festgesetzt worden ist, begründet das ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids.

4. Das Verzögerungsgeld ist kein Zwangsmittel, sondern eine eigenständige steuerliche Nebenleistung (Ausführungen zu Sinn und Zweck des Verzögerungsgeldes).

5. Es bleibt offen, ob ein Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten nach § 200 AO nur dann festgesetzt werden darf, wenn die Buchführung in das Ausland verlagert worden ist.

 

Normenkette

AO § 146 Abs. 2b, § 200 Abs. 1, § 332 Abs. 3, § 5; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 68

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 16.06.2011; Aktenzeichen IV B 120/10)

 

Tenor

Die Vollziehung der Bescheide vom 01. Oktober 2010 über die Festsetzung von Verzögerungsgeldern wird ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Festsetzungen von Verzögerungsgeldern.

Unter dem 01. Juni 2010 setzte der Antragsgegner der Antragstellerin gegenüber ein Verzögerungsgeld i.H.v. 2.500,– EUR fest. Er führte aus, mit Schreiben vom 08. April 2010 habe er die Antragstellerin unter Hinweis auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds aufgefordert, gemäß § 200 Abs. 1 AO näher bezeichnete Unterlagen bis zum 15. April 2010 vorzulegen. Jener Aufforderung sei sie ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen. Durch die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld zu verhängen, solle der Steuerpflichtige zur zeitnahen Mitwirkung an der Außenprüfung angehalten werden. Das Verhalten der Antragstellerin verzögere die Außenprüfung, die derzeit wegen des Fehlens der Unterlagen nicht weiter geführt werden könne.

Der hiergegen gerichtete Einspruch ging beim Antragsgegner am 04. Juni 2010 ein. Die Antragstellerin führte aus, sie habe die angeforderten Unterlagen in Form einer CD an das Finanzamt gesandt. Sie habe einen Antrag auf Aussetzung der Prüfungsanordnung nach § 69 Abs. 3 FGO gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. Die Frist für den Einspruch gegen die unter dem 07. Mai 2010 erfolgte Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch den Antragsgegner ende am 10. Juni 2010. Im Ablehnungsbescheid sei ihr eine vierwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vor Ablauf beider Fristen sei rechtswidrig. Die Außenprüfung habe noch nicht begonnen. Ein Verzögerungsgeld könne ausschließlich im Falle der Verlagerung der Buchführung in das Ausland festgesetzt werden.

Unter dem 17. Juni 2010 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids ab. Er führte aus, nach § 146 Abs. 2b AO sei ein Verzögerungsgeld von 2.500,– EUR bis 250.000,– EUR vorgesehen. Mit Schreiben vom 08. und 21. April 2010 habe er die Antragstellerin insbesondere zur Vorlage von Buchführungsunterlagen aufgefordert. Die Antragstellerin sei jener Aufforderung nicht nachgekommen, weshalb die Außenprüfung bereits etwa 3 Monate lang nicht habe fortgesetzt werden können. Es bestehe kein Anspruch darauf, dass er die Außenprüfung wegen eingelegter Rechtsbehelfe zurückstelle.

Unter dem 29. Juni 2010 setzte der Antragsgegner der Antragstellerin gegenüber ein Verzögerungsgeld i.H.v. 3.000,– EUR fest. Er führte aus, er habe sie mit Schreiben vom 21. Juni 2010 aufgefordert, gemäß § 200 Abs. 1 AO näher bezeichnete Unterlagen bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen und dabei auf die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, hingewiesen. Die Antragstellerin habe die Unterlagen nicht vorgelegt, weshalb die Außenprüfung derzeit nicht fortgeführt werden könne, wodurch sie verzögert werde. Durch das Verzögerungsgeld solle der Steuerpflichtige zur zeitnahen Mitwirkung an der Außenprüfung angehalten werden.

Die gegen den Bescheid vom 29. Juni 2010 gerichtete Sprungklage gin...

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