Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit eines Wechselschichtzuschlags. Bestimmungsrecht des Arbeitgebers bei Erfüllung der Voraussetzungen für mehrere Zuschlage. Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein allen in Wechselschicht tätigen Arbeitnehmer stets gezahlter Zuschlag für Wechselschichtarbeit i.H.v. mindestens 10 v.H. des Arbeitslohns gehört nicht zum „Grundlohn” i. S. des § 3b Abs. 2 EStG.

2. Liegen die Voraussetzungen unterschiedlicher Zuschläge vor, kann der Arbeitgeber zumindest solange frei bestimmen, ob der der Zuschlag als Nachtarbeits- oder als Wechselschichtzuschlag gezahlt wird, als kein Fall des Gestaltungsmissbrauchs vorliegt.

 

Normenkette

EStG 1990 § 3b Abs. 1-2; AO 1977 § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.07.2005; Aktenzeichen IX R 81/98)

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 17.11.1995 wird dahingehend geändert, daß die von der Klägerin in der Zeit vom 01.07.1991 bis zum 31.12.1994 gezahlten Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit als steuerfrei zu behandeln sind. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten auferlegt (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Beschluß:

Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Im Jahr 1991 zahlte sie nach § 10 des Übergangs- und Vergütungsvertrages an ihre Arbeitnehmer folgende Zuschläge auf die Stundenvergütungen:

– für Nachtarbeit (von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr)

25 %

– für die Früh- und Spätschicht (von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr) der Wechselschichter (sofern nicht der Nachzuschlag gezahlt wird)

10 %

– für Sonntagsarbeit (von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr)

50 %

– für Arbeit an Heiligabend und Silvester ab 14.00 Uhr

75 %

– für Feiertagsarbeit von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr

100 %

Ab dem Jahre 1992 zahlte die Klägerin aufgrund des Manteltarifvertrages Energie folgende Zuschläge:

– für Sonntagsarbeit (von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr)

50 %

– für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen (von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr)

150 %

– für Arbeit an Heiligabend (von 14.00 Uhr bis 24.00 Uhr)

150 %

– für Arbeit an Silvester (von 14.00 Uhr bis 24.00 Uhr)

125 %

– für Nachtarbeit (von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr)

10 %

– für Nachtarbeit (von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr)

25 %

– für die Früh- und Spätschicht der Wechselschichtler (von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr)

10 %

Bis einschließlich 1993 zahlte die Klägerin die Zuschläge nebeneinander, wenn mehrere Zuschlagstatbestände erfüllt waren und versteuerte Sie, soweit sie über die Grenzen des § 3 b Eihkommensteuergesetz –EStG– hinaus gingen. Ab dem Jahr 1994 zahlte die Klägerin zumindest bei den hier streitigen Zuschlägen für Nachtarbeit und Wechselschichtarbeit nur den jeweils höheren Zuschlag. Die Zuschläge für Nachtarbeit behandelte sie als steuerfrei im Sinne des § 3 b EStG, während sie die Zuschläge für die Wechselschichttätigkeit weiterhin der Lohnversteuerung unterwarf.

Als Folge einer Lohnsteueraußenprüfung erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 222.687,34 DM. Zur Begründung gab er an, daß die von der Klägerin gezahlten Zuschläge für Wechselschichtarbeit (10 % des Arbeitslohnes) dem Grundlohn zuzurechnen seien, weil dieser Zuschlag den Wechselschichtern stets gezahlt werde. Demzufolge handele es sich um einen Zuschlag, der wegen der Art der Tätigkeit und nicht für die Arbeit zu einer bestimmten Zeit gezahlt werde.

Mit der erhobenen Sprungklage, der der Beklagte zugestimmt hat, macht die Klägerin geltend, daß die gezahlten Zeitzuschläge für Nachtarbeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr auch dann in vollem Umfang steuerfrei seien, wenn sie an Wechselschichter gezahlt worden seien. Der 10%ige Zuschlag für Wechselschichter sei nicht Bestandteil des Grundlohns, da dieser Mehrarbeitsvergütungen, Zuschläge und Zulagen nicht erfasse. Dadurch, daß die Zuschläge nur für Wechselschichter bestimmt seien, zeige sich, daß dies nur zur Kompensation einer Mehrbelastung des Wechselschichters in der nachtzuschlagfreien Arbeitszeit geschehe. Beschäftigten, die nicht in Wechselschichten arbeiten, werde der Zuschlag nicht gezahlt; dies sei die Mehrzahl der Beschäftigten, deren Arbeitszeit von 7.15 Uhr bis 16.00 Uhr andauere.

Die Klägerin beantragt,

  • den Haftungsbescheid vom 17.11.1995 dahingehend zu ändern, daß die von ihr in der Zeit vom 01.07.1991 bis zum 31.12.1994 gezahlten Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit als steuerfrei zu behandeln sind,
  • im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

  • die Klage abzuweisen,
  • im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, daß die gezahlten Zuschläge für die Tätigkeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr in Höhe von 10 % nicht dem Charakter von Nachtzuschlägen, sondern von Wechselschichtzuschlägen entsprächen. Die Klägerin habe darüber hinaus ab dem Jahre ...

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