Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung des Ehegattenveranlagungswahlrechts zur Zusammenveranlagung für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung nicht möglich nach Eintritt der Bestandskraft eines Einzelveranlagungsbescheids für einen der Ehegatten. bei Klage wegen Veranlagungsart keine notwendige Beiladung des anderen Ehegatten erforderlich

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der verheiratete Steuerpflichtige für das Jahr der Heirat sein Veranlagungswahlrecht nicht ausgeübt, ist für ihn eine Einzelveranlagung (§ 25 Abs. 1 EStG 2007) durchgeführt worden, ist für die Ehefrau wie von ihr beantragt eine besondere (getrennte) Veranlagung gemäß § 26c EStG durchgeführt worden und sind beide Einkommensteuerbescheide mit Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden, so kann nicht nachträglich eine Zusammenveranlagung nach § 26b EStG durchgeführt werden, wenn der gegenüber dem Ehemann ergangene Steuerbescheid später geändert wird und die Ehegatten nunmehr die Zusammenveranlagung gem. §§ 26, 26b EStG unter entsprechender Änderung des gegenüber der Ehefrau ergangenen Einkommensteuerbescheides gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO beantragen. Nur wenn beide Ehegatten zuvor getrennt im Rahmen der Ehegattenveranlagung gem. § 26a bzw. § 26c EStG veranlagt worden sind, kann die Änderung der Wahlrechtsausübung als rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO angesehen werden.

2. Für die bestandskräftige Einzelveranlagung des Steuerpflichtigen ist in diesem Fall (siehe 1.) die geänderte Ausübung des Veranlagungswahlrechts kein Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Die Wahl der Veranlagungsart ist ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands bei der Ehegattenveranlagung, sie ist aber kein Merkmal der Einzelveranlagung (Anschluss an Hessisches FG, Urteil v. 24.3.1981, I 153/75; FG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 1.8.2013, 2 K 279/12).

3. Beruht die Durchführung einer Einzelveranlagung für den Veranlagungszeitraum der Heirat des Steuerpflichtigen darauf, dass er in der Einkommensteuererklärung versehentlich das Folgejahr als Jahr der Heirat eingetragen hat, so ist der bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheid nicht nichtig und kann auch nicht nach § 129 AO oder § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geändert werden.

4. Der andere Ehegatte, mit dem der klagende Ehegatte eine Zusammenveranlagung begehrt, ist zu dem Klageverfahren grundsätzlich nicht notwendig beizuladen (Anschluss an BFH, Beschluss v. 7.2.2005, III B 101/04).

 

Normenkette

EStG 2007 § 25 Abs. 1, 3, § 26 Abs. 2 Sätze 1, 3, Abs. 3, §§ 26a, 26b, 26c; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, §§ 129, 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 125 Abs. 1; FGO § 60 Abs. 1, 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.06.2018; Aktenzeichen III R 20/17)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

In seiner am 18. Januar 2010 eingegangen Einkommensteuer-Erklärung 2008 hatte der Kläger unter anderem in Zeile 13 des Erklärungsvordruckes erklärt, seit dem „20.08.2009” verheiratet zu sein. Angaben zur Ehefrau in den Zeilen 14 bis 18 und zur Wahl der Veranlagung in Zeile 19 enthielt die Erklärung nicht. Mit Bescheid vom 04. Februar 2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2008 nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung –AO– teilweise vorläufig auf 0 EUR fest. Es wurde keine Ehegattenveranlagung durchgeführt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Aufgrund einer Mitteilung des Finanzamtes Magdeburg vom 01. November 2011 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 (Einkünfte 30.000 EUR) erließ der Beklagte am 16. November 2011 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 und setzte die Einkommensteuer auf 4.947,00 EUR fest. Hiergegen legte der Kläger am 29. November 2011 Einspruch ein. Nach Eingang der Mitteilung über die geänderte gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 des Finanzamtes Magdeburg vom 16. Dezember 2011 (Verlust in Höhe von 11.515,00 EUR) erfolgte erneut eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2008 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Die Einkommensteuer wurde mit Bescheid vom 02. Januar 2012 erneut auf 0 EUR festgesetzt.

Mit am 06. Januar 2012 eingegangenem Schreiben beantragten der Kläger und seine Ehefrau für das Jahr 2008 u.a. die Zusammenveranlagung gemäß §§ 26, 26b EinkommensteuergesetzEStG – unter entsprechender Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008 der Ehefrau gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dem Antrag war eine gemeinsame Einkommensteuererklärung 2008 des Klägers und seiner Ehefrau beigefügt sowie der Einkommensteuerbescheid 2008 für die Ehefrau vom 13. April 2010, erlassen vom Finanzamt B…, in dem eine Einkommensteuer in Höhe von 13.017,00 EUR festgesetzt worden war. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung war in der Zeile 13 als Datum der Eheschließung das Datum „20.09.2008” angegeben.

Mit Bescheid vom 13. Januar 2012 lehnte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Antrag auf Durchführung der Zusammenveranlagung ab. Der Einkommensteuerb...

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