rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung des auf § 128 HGB gestützten Haftungsanspruchs des FA gegenüber dem ehemaligen Gesellschafter einer Vor-GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Ausschluss des Erlasses eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AO erfasst anders als im Anwendungsbereich von § 191 Abs. 3 AO auch Fälle der Haftung aufgrund privatrechtlicher Haftungstatbestände und gilt sowohl für Fälle der Festsetzungs- als auch der Zahlungsverjährung.

2. Scheitert die Gründung einer GmbH, die im Einverständnis ihrer Gesellschafter schon vor der Eintragung in das Handelsregister die Geschäfte aufgenommen hat, und werden die Geschäfte dieser Vor-GmbH anschließend trotzdem fortgeführt, haben die Gründer für sämtliche Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft, auch für die bis zum Scheitern entstandenen, nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen einzustehen (hier: Haftung analog § 128 HBG).

3. Der Ablauf der Zahlungsverjährung betreffend Steuerforderungen gegenüber einer ehemaligen Vor-GmbH wird nicht durch die Geltendmachung von Haftungsansprüchen des FA gegenüber den ehemaligen Gesellschaftern der Vor-GmbH unterbrochen.

4. Die Haftungsansprüche des Fiskus nach § 128 HGB aufgrund der Auflösung einer als GbR zu behandelnden Vor-GmbH verjähren analog § 159 Abs. 1 HGB in der vor dem 1.1.2002 gültigen Fassung in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft. § 159 HGB a. F. stellt im Verhältnis zu den allgemeinen Verjährungsbestimmungen des BGB für die Gesellschafterhaftung die einschlägige speziellere Norm dar, so dass sich der ehemalige Gesellschafter der Vor-GmbH nicht darauf berufen kann, dass der gegen ihn gerichtete Haftungsanspruch gemäß §§ 195, 214 BGB bereits nach Ablauf der dreijährigen Regelverjährung nicht mehr habe geltend gemacht werden können.

5. Ob die Verjährung von Steuerforderungen gegenüber einer Vor-GmbH gemäß § 191 Abs. 4 AO i.V.m. § 128 und § 159 Abs. 4 HGB in der vor dem 1.1.2002 gültigen Fassung wirksam unterbrochen wurde, richtet sich nicht nach Zivilrecht, sondern nach den Bestimmungen über die Unterbrechung der steuerrechtlichen Verjährung (hier: § 231 AO).

6. Unterbrechungshandlungen i. S. d. § 159 Abs. 4 HGB in der vor dem 1.1.2002 gültigen Fassung i. V. m. § 231 AO gegenüber einem bestimmten Haftungsschuldner wirken mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht gegenüber einem anderen Haftungsschuldner.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1, 3-4, 5 S. 1 Nr. 2, § 228 S. 2, § 231 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 421, 427; HGB a.F. §§ 128, 159 Abs. 1, 4

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom … Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … Dezember 2007 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das Finanzamt C., dessen Rechtsnachfolger bezüglich des hiesigen Klageverfahrens der Beklagte ist, den Kläger als ehemaligen Gesellschafter der …. GmbH in Gründung mit Sitz in D. (künftig: GmbH i. Gr.) für rückständige Lohnsteuer der Gesellschaft persönlich in Haftung nehmen konnte.

Die GmbH i. Gr. mit dem Unternehmensgegenstand „Ausführung von Metallbauarbeiten jeder Art” wurde vom Kläger sowie dem Glasermeister … aus R. mit notariell beurkundetem Vertrag vom … Dezember 1998 (UR-Nr. … der Notarin M. aus O.) gegründet. Beide übernahmen jeweils einen Gesellschaftsanteil in Höhe von 25 000,00 DM am Gesamtstammkapital der GmbH in Höhe von 50 000,00 DM. Zum alleinigen Geschäftsführer wurde Herr H. bestellt. Er war von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – befreit. Die GmbH sollte ihren Sitz in … haben.

Die GmbH i. Gr. gab am 12. März 1999 bzw. 14. April 1999 beim Finanzamt … Lohnsteueranmeldungen ab, die folgende Gesamt-Anmeldungsbeträge auswiesen:

Februar 1999:

8 994,62 DM

Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer:

43

März 1999:

14 422,86 DM

„:

42

Gesamtbetrag:

23 417,48 DM

An der Erstellung der Lohnsteueranmeldungen hatte das Steuerberaterbüro … aus Oberhausen mitgewirkt.

Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung am … April 1999 beschlossen die Gesellschafter auf Wunsch des Klägers die Auflösung und Abwicklung der GmbH i. Gr. Sie beschlossen außerdem, den Antrag auf Eintragung in das Handelsregister zurückzunehmen, was jedoch nicht geschah. Die laufenden Bauvorhaben sollten abgewickelt werden. Dem Gericht lagen zwei verschiedene Protokolle über diese Versammlung vor (s. a. das vorangegangene Urteil des FG Berlin 2 K 2269/02 vom 19. Oktober 2005). Nach einer Fassung des Versammlungsprotokolls handelte es sich um vier Bauvorhaben mit Ausführungsfristen von bis zu fünf Wochen. Nach der gleichen Fassung des Versammlungsprotokolls verpflichtet...

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