Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für ein in Vollzeit in Berufsausbildung befindliches behindertes Kind mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 %

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein volljähriges behindertes Kind mit einem Grad der Erwerbsminderung von 25 % kann auch dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG für das Kindergeld berücksichtigt werden, wenn es sich wie ein nicht behindertes Kind in Vollzeit in einer „normalen” Berufsausbildung befindet. Es ist dann i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zum Selbstunterhalt außerstande, wenn es mit dem ihm zur Verfügung stehenden Einkünften und Bezügen seinen allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und seinen individuellen behinderungsbdingten Mehrbedarf nicht bestreiten kann.

2. Der Grundbedarf eines behinderten Kindes ist im Jahr 2005 entsprechend dem in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG genannten Jahresgrenzbetrag mit 7.680 EUR zu bemessen. Erfolgt kein Einzelnachweis für einen behinderungsbedingten Mehrbedarf, so kann dieser in Höhe des Behinderten-Pauschbetrags (§ 33b Abs. 3) geltend gemacht werden (im Jahr 2005 bei einer Erwerbsminderung von 25 %: 310 EUR).

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 33b Abs. 3 S. 2, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

Der Bescheid über die Aufhebung des Kindergeldes für den Zeitraum Januar bis Dezember 2005 vom 18. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2006 wird aufgehoben.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage der Anspruchsberechtigung von Kindergeld für das Jahr 2005.

Der Kläger ist Vater seiner am 7. August 1985 geborenen Tochter A…, welche im Anschluss an die Schulausbildung im September 2005 mit ihrer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau begann. Neben der dortigen monatlichen Bruttovergütung in Höhe von …, EUR erhielt die Tochter aus einer ganzjährigen Aushilfstätigkeit im elterlichen Betrieb monatlich weitere …, –EUR. Ferner erhielt sie im Kalenderjahr 2005 aufgrund eines im Jahre 2000 erlittenen Sportunfalls in der Schule eine Verletztenrente der Unfallkasse Berlin in Höhe von monatlich …, EUR. Ausweislich eines seitens des Klägers vorgelegten Bescheides der Unfallkasse Berlin vom 1. November 2005 über die vollständige Abhilfe eines Widerspruches bestand im Streitjahr weiterhin ein Anspruch auf die Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – von 25 %. Die zunächst zum 1. August 2005 eingestellte Rentenzahlung wurde aufgrund des erfolgreichen Widerspruches ab Dezember 2005 wieder aufgenommen. Die Nachzahlung für den Zeitraum August bis November 2005 erfolgte im November in Höhe von …, – EUR.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 18. August 2006 die Kindergeldfestsetzung für die Tochter A… für den Zeitraum Januar bis Dezember 2005 wegen Überschreitens der Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EinkommensteuergesetzEStG – gemäß § 70 Abs. 4 EStG auf.

Der hiergegen fristgemäß eingelegte Einspruch, mit dem der Kläger neben erhöhten Werbungskosten die Berücksichtigung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs mindestens in Höhe des Behindertenpauschbetrages nach § 33 b Abs. 3 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge begehrte, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 25. September 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass auch unter Berücksichtigung der erhöhten Werbungskosten die Einkünfte des Kindes in Höhe von insgesamt …, EUR den für das Streitjahr geltenden Grenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 7680,– EUR überstiegen, so dass kein Kindergeldanspruch bestehe. Ein behinderungsbedingter Mehraufwand sei nicht zu berücksichtigen, weil das Kind nicht als behindertes Kind im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit seiner fristgemäß erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Unter Berücksichtigung des Behindertenpauschbetrages in Höhe von 310,– EUR würden die ansonsten zutreffend seitens des Beklagten ermittelten Einkünfte und Bezüge des Kindes den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag nicht überschreiten. Die Nichtberücksichtigung komme einer Ungleichbehandlung seines Kindes gegenüber anderen behinderten/erwerbsgeminderten Kindern gleich. Insbesondere ändere der Anlass, aus dem ein Kind zu berücksichtigen sei, ob nun aufgrund einer Berufsausbildung oder als behindertes Kind, nichts an dem Umstand, dass das Kind nachweislich erwerbsgemindert/behindert sei. Insoweit sei es nicht verständlich, dass die Beklagte einem Kind, welches als behindertes Kind berücksichtigt werde, einen behinderungsbedingten Mehraufwand zugestehe im Gegens...

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