rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht für nichtselbstständige Einkünfte einer in Italien ansässigen deutschen Diplomatengattin nach § 1 Abs. 2 S. 1 und 2 EStG.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist eine deutsche Staatangehörige, die in Italien nichtselbstständige Einkünfte erzielt, mit einem an der deutschen Botschaft in Italien tätigen Diplomaten verheiratet und haben die Ehegatten ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt ausschließlich in Italien, so ist die Diplomatengattin aufgrund der Regelungen in Art. 34, 37 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) in Italien nicht steuerpflichtig und unterliegt mit ihren nichtselbstständigen Einkünften der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 S. 1 und 2 EStG.

2. Ob der Auslandsbedienstete und seine Angehörigen im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 2 EStG in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang besteuert werden, ist nach den Vorschriften des maßgebenden ausländischen Steuerrechts zu prüfen. Dabei ist das Bestehen einer der deutschen beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Einkommensteuerpflicht im Ausland nicht anhand einer Bescheinigung des ausländischen Fiskus, sondern vom Gericht unter Berücksichtigung der ausländischen steuerrechtlichen Regelungen und durch Vergleiche desselben mit der Vorschrift des § 49 EStG festzustellen (vgl. FG Köln, Urteil v. 2.10.2009, 5 K 1023/06).

3. Bei der Beurteilung der Frage, ob es nach dem maßgebenden italienischen Recht möglich war, die Diplomatengattin in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen heranzuziehen, sind auch völkerrechtliche Vereinbarungen wie das WÜD und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) sowie bilaterale Verträge wie das DBA Deutschland-Italien zu berücksichtigen.

4. Diplomaten und in ihrem Haushalt lebende Angehörige werden nach den Regelungen des WÜD im Tätigkeitstaat wie beschränkt Steuerpflichtige behandelt. Die steuerrechtlichen Vorrechte aufgrund des WÜD gehen nach Art. 28 DBA-Italien den Bestimmungen des DBA vor.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 2 Sätze 1-2, § 50d Abs. 8; WÜD Art. 34, 37 Abs. 1; DBA-Italien Art. 28

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, erzielte im Streitjahr 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Auslandsmitarbeiterin (Leiterin des Büros) der B…-Stiftung e.V., die ihren Sitz in C… hat. Dienstort der Klägerin war D… (Italien) (Italien). Der Ehemann der Klägerin war als Diplomat an der Deutschen Botschaft in D… (Italien) tätig.

Mit ihrer elektronisch an das Finanzamt E… übermittelten Einkommensteuererklärung für 2012 beantragte die Klägerin getrennte Veranlagung und erklärte, der ausländische Arbeitslohn in Höhe von 84.929,00 EUR sei nach Doppelbesteuerungsabkommen –DBA– steuerfrei. Dem folgte das Finanzamt mit Einkommensteuerbescheid 2012 vom 26.11.2013 nicht, sondern setzte die Einkommensteuer 2012 unter Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 26.384,00 EUR fest.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch und machte geltend, dass bei der Prüfung der Steuerpflicht der Vorrang des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.1961 (Gesetz vom 06.08.1964, BGBl II 1964, 957) [WÜD] und nachfolgend des DBA zu berücksichtigen sei, bevor das nationale Recht Anwendung finde. Auf sie, die Klägerin, sei Art. 37 Abs. 1 WÜD anwendbar. Zu beachten sei auch Art. 28 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18.10.1989 (BGBl II 1990, 743) [DBA Deutschland-Italien], aus dem klar hervorgehe, dass das Abkommen nicht die steuerlichen Vorrechte von Mitgliedern konsularischer Vertretungen berühre. Damit verbleibe es in Deutschland bei der Steuerfreiheit. Zu beachten sei auch, dass es sich bei der B…-Stiftung nicht um eine „öffentliche Kasse” handle, da der Arbeitgeber ein eingetragener Verein sei. Somit sei § 1 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz –EStG– nicht anwendbar. Zum Nachweis der in § 50d Abs. 8 EStG geforderten Steuerfreistellung im Ausland legte die Klägerin ein von der Anwalts- und Steuerberatungskanzlei F… ausgestelltes Zertifikat über die steuerliche Freistellung des Einkommens auf der Grundlage des Art. 34 WÜD vor (Bl. 000092 der Aktenheftung).

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 als unbegründet zurück. Das Finanzamt habe die Einkünfte zutreffend der Besteuerung unterworfen. Die Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie erfülle somit eine der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 2. Teilsatz EStG und unterliege demnach der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht. D...

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