Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Beiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder mindern Einkünfte des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

Arbeitnehmerbeiträge an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder führen – da sie zwar gesetzlich nicht geregelt, aber den Charakter einer Pflichtversicherung haben – zu einer Minderung des hinsichtlich des Jahresgrenzbetrages zu berücksichtigenden Jahreseinkommens des Kindes.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2, 1 Nr. 2a, Abs. 1 Nr. 1, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.06.2010; Aktenzeichen III R 59/09)

 

Tenor

1. Der Aufhebungsbescheid vom 25. April 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2006 werden aufgehoben, soweit die Kindergeldfestsetzung für Januar bis September 2005 aufgehoben wird.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil wird im Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für sie festgesetzten Kostenerstattung leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin erhielt für ihre Tochter B, geb. am xx.xx 1983, Kindergeld. B befand sich bis einschließlich September 2005 in Ausbildung, anschließend war sie bis Ende des Jahres arbeitslos. Ihre Einkünfte und Bezüge für den Zeitraum Januar bis September 2005 betrugen abzüglich Werbungskostenpauschale, anteiliger Kostenpauschale für Sonntags- und Nachtarbeit und Arbeitnehmeranteil zu den Sozialversicherungsbeiträgen 5.789,09 EUR, sodass der anteilige Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den streitigen Kindergeldmonaten geltenden Fassung in Höhe von 5.760 EUR (9/12 von 7.680 EUR) überschritten war. Mit Bescheid vom 25. April 2006 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für B ab Januar 2005 aus diesem Grunde auf. In der Begründung des Bescheides heißt es, die tariflich/arbeitsvertraglich geregelte Umlage an die VBL (Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder) könne nicht in Abzug gebracht werden und führe nicht zu einer Minderung des zu berücksichtigenden Jahreseinkommens. Unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerbeiträge an die VBL in Höhe von 116,20 EUR wäre der Jahresgrenzbetrag unterschritten worden.

Gegen den Aufhebungsbescheid erhob die Klägerin Einspruch und trug vor, das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02) zu den Sozialversicherungsbeiträgen ausgeführt, dass § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungskonform so auszulegen sei, dass von den Einkünften und Bezügen nur diejenigen in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einfließen dürften, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. Die Beiträge an die VBL stünden weder dem Auszubildenden noch den Eltern und dementsprechend nicht zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung zur Verfügung. Sie seien daher nicht in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2006 wies die Beklagte den Einspruch mit der Begründung zurück, der Abzug der VBL-Beiträge beruhe, anders als die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Es handele sich nicht um einen Abzug von Gesetzes wegen.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, die Berücksichtigung der VBL-Umlage sei sowohl im Hinblick auf Art. 6 des Grundgesetzes (GG) als auch unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Beruf und Familie rechtsstaatlich notwendig.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungsbescheid vom 25. April 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2006 aufzuheben, soweit die Kindergeldfestsetzung für Januar bis September 2005 aufgehoben wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und bezieht sich zur Begründung auf ihre Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2006.

Mit Einverständnis der Beteiligten hat das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs in der Sache III R 78/06 (zur Gleichstellung der vom Arbeitgeber einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zur VBL mit Sozialversicherungsbeiträgen, Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24. August 2006 6 K 278/06) geruht. Der Bundesfinanzhof hat die Revision als unzulässig verworfen (Beschluss vom 25. November 2008 III R 78/06, BFH/NV 2009, 407).

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beklagten u.a. ausgeführt, die vom Niedersächsischen Finanzgericht vorgenommene weite Auslegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Beiträge, die nicht von Gesetzes wegen abgezogen würden, führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit solchen Kindern, die eine private Rentenversicherung abgeschlossen hätten.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Kindergeldakten der Beklagten Be...

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