Entscheidungsstichwort (Thema)

Saldierung von Umsatzsteuer in der Insolvenz. insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot. Rechtsschutzbedürfnis bei Klage gegen Abrechnungsbescheid nach Anmeldung der Jahresumsatzsteuer zur Insolvenztabelle

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Klage gegen einen Abrechnungsbescheid, der die Verrechnung von Umsatzsteuer mit Vorsteuer zum Gegenstand hat, erledigt sich nicht mit der Anmeldung der Jahresumsatzsteuer zur Insolvenztabelle, da die im Abrechnungsbescheid getroffene Feststellung, dass der Steuerpflichtige keine Erstattung der Vorsteuer verlangen kann, auch nach Entstehung der Jahressteuer Bedeutung hat.

2. Das Verrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 InsO steht einer Saldierung der Umsatzsteuer mit Vorsteuer nach § 16 Abs. 2 UStG nicht entgegen.

3. Für das Kalenderjahr der Insolvenzeröffnung ist die für den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil entstandene Umsatzsteuer grundsätzlich für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung zu berechnen und anzumelden.

4. § 55 Abs. 4 InsO weist lediglich Umsatzsteuerverbindlichkeiten, nicht aber Forderungen auf Umsatzsteuererstattung den Masseverbindlichkeiten zu.

 

Normenkette

UStG § 16; AO § 218 Abs. 1, §§ 38, 55 Abs. 4; InsO § 96 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 01.08.2017; Aktenzeichen VII R 16/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger (Kl) wurde zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts X vom 16. August 2011 aufgrund eines Eigeninsolvenzeröffnungsantrags vom selben Tag (Aktenzeichen – Az – …) zum vorläufigen („schwachen”) Insolvenzverwalter der Firma Y GmbH & Co. KG bestellt. Nach dem Inhalt des Beschlusses waren ab diesem Zeitpunkt Verfügungen der Firma Y GmbH & Co. KG nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Mit Beschluss vom 1. November 2011 eröffnete das Gericht das Insolvenzverfahren und bestellte den Kl zum Insolvenzverwalter.

Aufgrund von Vorsteuerkorrekturen zum 31. Oktober 2011 nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) meldete der Kl für die Firma Y GmbH & Co. KG für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 unter der vorinsolvenzlichen Steuernummer (11…) jeweils Umsätze an, welche zu einer Zahllast führten. In der unter dieser Steuernummer am 29. Mai 2013 abgegebenen USt-Jahreserklärung 2011 ermittelte der Kl eine Jahresumsatzsteuer (Zeitraum: Januar bis Oktober 2011) in Höhe von 952.446,89 EUR, welcher der Beklagte (Bekl) am 14. November 2013 zustimmte. Der Kl hatte unter Berücksichtigung von Vorauszahlungen in Höhe von 423.748,11 EUR eine Zahllast in Höhe von 528.698,78 EUR ermittelt.

Für die Monate September und Oktober 2011 gab der Kl ferner USt-Voranmeldungen unter der Massesteuernummer 22… für Umsätze nach dem 15. August 2011 ab, welche erstmals unter der Massesteuernummer angemeldet wurden und zu Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 61.284,78 EUR (September 2011) sowie 130.660,83 EUR (Oktober 2011) führten. Die USt-Guthaben resultieren – unstreitig – aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, welche die Firma Y GmbH & Co. KG in der Zeit nach Insolvenzantragstellung und vor Insolvenzeröffnung von anderen Unternehmen für ihr Unternehmen bezogen und bezahlt hat. Ferner erklärte der Kl unter dieser Steuernummer in der Folgezeit auch alle nach dem 16. August 2011 erzielten Umsätze.

Die zeitliche Zuordnung der Umsätze und Vorsteuern zu den einzelnen Unternehmensteilen (vor bzw. nach Insolvenzantragstellung) wurde vom Bekl im Rahmen einer USt-Sonderprüfung am 13. Dezember 2011 geprüft und nicht beanstandet.

Von diesen Guthaben verrechnete der Bekl einen Teilbetrag in Höhe von insgesamt 69.159,30 EUR (aus 9/2011: 61.284,78 EUR und aus 10/2011: 7.874,52 EUR) mit offenen USt-Beträgen aus der Zeit vor der Insolvenzantragstellung (also Januar bis 15. August 2011), welche unter der vorinsolvenzlichen Steuernummer (11…) vorhanden waren. Die um diese Verrechnung verminderte Differenz (459.539,48 EUR) meldete der Bekl zur Insolvenztabelle an.

Der Kl hatte demgegenüber in seiner USt-Erklärung 2011 eine Zahllast in Höhe von 528.698,78 EUR ermittelt.

Unter der „Massesteuernummer” (22…) ermittelte der Kl unter Zugrundelegung der unstreitigen Umsätze bzw. Vorsteuerbeträge ein Guthaben in Höhe von 509.198,24 EUR, der Bekl setzte dagegen lediglich ein Erstattungsguthaben in Höhe von 440.036,94 EUR an.

Gegen die vom Bekl vorgenommene Verrechnung wandte sich der Kl, worauf der Bekl mit Abrechnungsbescheid vom 15. Februar 2012 feststellte, dass das USt-Guthaben September 2011 in Höhe von 61.284,78 EUR und das Guthaben Oktober 2011 in Höhe von 7.874,52 EUR (insgesamt: 69.159,30 EUR) mit Insolvenzforderungen verrechnet wurde. Wegen des Inhalts des Abrechnungsbescheids im Einzelnen wird auf diesen verwiesen (AS. 29 ff. Rechtsbehelfsakten).

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2013 wies der Bekl den gegen diesen Abrechnungsbescheid eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Er beg...

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