Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrtkosten eines selbständigen Lehrers zu wechselnden Bildungseinrichtungen sind in voller Höhe und nicht nur in Höhe der Entfernungspauschalen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Arbeitszimmer ist keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitszimmer ist wegen seiner räumlichen Nähe zum Wohnbereich keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG.

2. Die geänderte Rechtsprechung des BFH zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG, wonach ein Arbeitnehmer nur eine „regelmäßigen Arbeitsstätte” haben kann, ist nach Art. 3 Abs. 1 GG auf den Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG zu übertragen.

3. Als Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG ist danach nur ein Ort anzusehen, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Gewerbetreibenden, Landwirts oder Selbstständigen befindet.

4. Fahrtkosten eines selbstständigen Lehrers zu ständig wechselnden Bildungseinrichtungen sind in voller Höhe und nicht nur in Höhe der Entfernungspauschalen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

5. Die Zahl der Auftraggeber ist bei Gewinneinkünften kein Kriterium für den ortsgebundenen Mitelpunkt der betrieblichen Tätigkeit.

 

Normenkette

EStG 2001-2003 § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.11.2014; Aktenzeichen VIII R 47/11)

BFH (Urteil vom 11.11.2014; Aktenzeichen VIII R 47/11)

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 16. September 2011 werden dahin gehend geändert, dass Kraftfahrzeugkosten in Höhe von xx.xxx,xx DM für 2001, xx.xxx,xx EUR für 2002 und xx.xxx,xx EUR für 2003 als weitere abziehbare Betriebsausgaben des Klägers berücksichtigt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird auf den Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigen zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin ist Lehrerin an einer Schule in (H). Der Kläger war in den Streitjahren (2001 bis 2003) als Personalberater tätig. Seine Tätigkeit bestand vor allem in der Übernahme von vorbereitenden Tätigkeiten bei der Auswahl von qualifizierten Bewerbern für die jeweiligen Auftraggeber. Diese Tätigkeit übt der Kläger von einer Betriebstätte im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in (F), … straße xx, aus. Im 2. Obergeschoss des Hauses befindet sich auch die gemeinschaftliche Ehewohnung der Kläger. Eine weitere Wohnung im 1. Obergeschoss steht leer.

Neben der Tätigkeit als Personalberater war der Kläger in den Streitjahren außerdem als Dozent bzw. Prüfer an verschiedenen Bildungseinrichtungen, und zwar in (L), (V), (A) und F. Die Tätigkeit in V übt der Kläger seit etwa 1982 aus, zunächst bei der Berufsakademie (– BA –; jetzt: Duale Hochschule – DH –), seit 1882/1983 auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK). Seit Ende der 1980er Jahre ist er bei der BA bzw. DH in L tätig. Die Dozententätigkeit bei der Hochschule in A, einer Fernhochschule mit Präsenzseminaren, übte der Kläger von 2001 bis 2006 aus. In F übt der Kläger im Wesentlichen eine Prüfungstätigkeit aus.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für 2001 vom 13. September 2002, für 2002 vom 12. September 2003 und für 2003 vom 2. November 2004 behandelten die Kläger – ohne gesonderten Ausweis in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) – im Rahmen der Kraftfahrzeugkosten folgende Fahrtkosten des Klägers nach L, V, A und F als Reisekosten mit den tatsächlichen Kosten:

Einrichtung

2001/ Fahrten

2001/km

2002/ Fahrten

2002/km

2003/ Fahrten

2003/km

BA L

IHK V

IHK F

Hochschule A

Summe/km:

Kosten/km:

In DM/EUR:

Steuerfreie Erstattungen für die Fahrten nach L, V und F in Höhe von 0,70 DM (2001) bzw. 0,36 EUR (2002 f.) je km (insgesamt x.xxx,xx DM für 2001, x.xxx,xx EUR für 2002 und x.xxx,xx EUR für 2003) erfassten die Kläger weder als Betriebseinnahmen des Klägers noch kürzten sie die Betriebsausgaben des Klägers um den erstatteten Betrag. Wegen der Fahrten, Kilometer und Erstattungen wird auf die Handakte der Prüferin verwiesen.

Nach Durchführung einer – im Dezember 2005 begonnen – Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 13. März 2007) vertrat die Prüferin – in Übereinstimmung mit den nicht veröffentlichten (n.v.) Senatsurteilen vom 31. August 1989 III K 432/86 (Bl. 67 ff. GA III K 432/86), vom 3. Dezember 1992 3 K 180/89 (Bl. 59 ff. GA 3 K 180/89) sowie den als Urteile wirkenden Gerichtsbescheiden des Einzelrichters vom 17. November 1998 3 K 163/95 (n.v.; Bl. 52 ff. GA 3 K 163/95) und 3 K 187/95 (n.v.; Bl. 44 ff. GA 3 K 187/95) – die Auffassung, bei den Fahrten handele es sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßigen Betriebsstätten i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, und zwar selbst dann, wenn die Betriebsstätte in der …...

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