Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug bei mehrfacher Lieferung des selben Gegenstandes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass der Gegenstand, der an den Unternehmer geliefert wird, tatsächlich exisitiert und dem Unternehmer Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft wird.

2. Ob die Verfügungsmacht vom Lieferanten auf rechtmäßige oder rechtswidrige Weise erlangt worden ist, ist für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug unerheblich. Deshalb kann auch Diebesgut oder Hehlerware vom Dieb bzw. Hehler an Dritte geliefert werden.

3. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist ein Vorgang tatsächlicher Natur, der von dem innerstaatlichen Rechtsvorgang der Eigentumsübertragung unabhängig ist. Entscheidend ist, dass der liefernde Unternehmer dem Abnehmer wirtschaftlich eine Position verschafft, die einem Eigentümer vergleichbar ist. Das ist der Fall, wenn der Leistende dem Abnehmer Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes zuwendet. Ob ein Ertrag tatsächlich erzielt wird, wirkt sich auf die Lieferung nicht aus.

4. Ein Vorsteuerabzug aus einer Lieferung ist auch dann gegeben, wenn der Lieferant die Absicht hat, den Gegenstand der Lieferung an unbeteiligte Dritte nochmals zu veräußern, d. h. die Verfügungsmacht nicht endgültig auf den gutgläubigen Empfänger der Lieferung zu übertragen.

5. Eine Rückabwicklung nach § 17 UStG setzt das Mitwirken des Empfängers der Lieferung an der Rückübertragung der Verfügungsmacht an dem Liefergegenstand voraus. Dies ist nicht der Fall, wenn der Lieferant die Verfügungsmacht an dem Gegenstand der Lieferung ohne Wissen des Empfängers an einen Dritten überträgt.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, §§ 14, 3 Abs. 1, § 17; Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.09.2011; Aktenzeichen V R 43/10)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2007 wird der Umsatzsteuerbescheid für 2000 vom 27. Oktober 2006 (St.-Nr.) dahin geändert, dass die Umsatzsteuer um … DM (… EUR) gemindert und auf … DM (… EUR) festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob fünf Lieferungen von …geräten der X GmbH & CoKG (X) an die Klägerin tatsächlich erfolgt sind.

I.

Die Klägerin ist unter anderem im Leasinggeschäft tätig. Seit 1993 unterhielt sie, damals noch als Y GmbH & Co. KG firmierend, Geschäftsbeziehungen zur Z-Gruppe. Im Juli 1996 wurde die Klägerin in ihre heutige Rechtsform umgewandelt. Von der X erwarb die Klägerin …systeme, jeweils bestehend aus einer W-Versorgungseinheit mit Ident-Nummer und einer …einheit mit System-Nummer (nachfolgend insgesamt: …systeme), die sie anschließend an andere Gesellschaften der Z-Gruppe verleaste. Insgesamt hat die Klägerin …systeme im Wert von ca. … Mio. DM (… EUR) von der X angeschafft. Die Z-Gruppe hatte insgesamt ca. 3.500 Leasingverträge über …systeme geschlossen. Tatsächlich existierten aber nur rund 270 …systeme.

Am 27. Januar 2000 hat die Klägerin von der X fünf …systeme erworben. Mit fünf Rechnungen vom selben Tag rechnete die X gegenüber der Klägerin über die Lieferung von fünf …systemen bestehend jeweils aus den W-Versorgungseinheiten mit den Ident-Nummern …001 bis …005 und den …einheiten mit den System-Nummern … 001 bis … 005 ab. Der Kaufpreis betrug pro …system … DM, insgesamt daher … DM (… EUR) netto. In den Rechnungen war Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt … DM (… EUR) gesondert ausgewiesen (Gerichtsakten, Bl. 40-44).

Die Übergabe der fünf …systeme erfolgte am 27. Januar 2000 in der Weise, dass ein Mitarbeiter der Klägerin – Herr R. (R) – die …systeme am Übergabeort persönlich in Augenschein nahm. Sie wurden ihm vor Ort von einem Mitarbeiter der Z-GmbH & Co. KG im Auftrag der X übergeben. Er verglich dabei die auf den Typenschildern der einzelnen …systeme befindlichen Ident- und System-Nummern mit den in den Rechnungen ausgewiesenen Nummern. Bei der Übergabe fertigte er ferner Fotos aller Geräte und der auf den jeweiligen …systemen befindlichen Typenschilder an, um die physische Übergabe zu dokumentieren (Rechtsbehelfsakten, Bl. 50). Nach Prüfung bestätigte R die Übereinstimmung und die körperliche Übernahme unter Angabe des Datums und seines Namenszeichens (Gerichtsakten, Bl. 87). Diese Art der Übergabe erfolgte seit dem Jahr 1997 vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ihre Forderungen aus den Leasingverträgen über Banken refinanzierte. Im Rahmen der Refinanzierungsverträge ...

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