Entscheidungsstichwort (Thema)

Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewährt keinen Anspruch auf Einsicht in die Prüfer-Handakten während laufender Betriebsprüfung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 28/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung eines gegen eine Behörde gerichteten Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist die Verpflichtungsklage.

2. Der Auskunftserteilung durch eine Behörde auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 1 DSGVO geht stets eine Prüfung möglicher Ausschluss- und Beschränkungstatbestände voraus.

3. Die DSGVO ist jedenfalls bei einer Betriebsprüfung, die sich neben anderen Steuerarten auch auf die Umsatzsteuer erstreckt, insgesamt anwendbar.

4. Ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht wird durch das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht begründet (Entgegen FG des Saarlandes, Beschluss v. 3.4.2019, 2 K 1002/16, EFG 2019 S. 1217).

 

Normenkette

VO (EU) Nr. 679/2016 Art. 15 Abs. 1; AO § 32d Abs. 1; FGO § 40 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger aufgrund von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung –DSGVO–, Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– Nr. L 119/1) ein Anspruch auf Akteneinsicht in die Handakten der Betriebsprüfung zusteht.

Der Kläger ist selbstständiger Apotheker.

Der Beklagte führte im Jahr 2020 eine Betriebsprüfung (§ 193 Abs. 1 Abgabenordnung –AO–) für die Jahre 2015 bis 2017 durch. Die Prüfungsanordnung vom 18. November 2019 umfasste die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer.

Am 14. Juli 2020 fand eine Besprechung zwischen der Steuerberaterin des Klägers und der Betriebsprüferin statt, in dem die nach Auffassung der Betriebsprüfung fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung thematisiert wurde.

Der vom Kläger daraufhin beauftragte weitere Bevollmächtigte, der Prozessvertreter des Klageverfahrens, beantragte am 21. August 2020 im Rahmen der laufenden Betriebsprüfung Akteneinsicht in die Unterlagen der Prüferin, die die angebliche fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung beträfen. Zu diesem Zweck sollten ihm Kopien der Unterlagen übersandt werden.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 ab.

Den hiergegen am 11. November 2020 eingelegten Einspruch verwarf er mit Einspruchsentscheidung vom 26. November 2020 als unzulässig. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die in Kopie angeforderten Unterlagen seien der Prüferin durch den Kläger bzw. dessen Steuerberaterin zur Verfügung gestellt worden. Der Antrag sei aber auch unbegründet, da während der laufenden Betriebsprüfung kein Anspruch auf Überlassung von Kopien aus der Handakte, sondern lediglich ein Auskunftsanspruch über die Grund- und E-Datenübersicht sowie eine Bescheidauskunft für die letzten Jahre bestehe. Dies sei aber vom Kläger weder beantragt worden noch gehe sein Interesse dahin, sodass von einer Weitergabe dieser Daten abgesehen werde.

Am 10. Dezember 2020 fand zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, der Steuerberaterin und der Betriebsprüferin eine weitere Besprechung statt.

Am 18. Dezember 2020 reichte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg ein. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Klage richte sich gegen die Ablehnung der Akteneinsicht in die Handakte der Betriebsprüfung. Aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO folge ein gebundener Anspruch auf Übersendung der Akten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, der nicht zeitlich eingeschränkt sei und damit auch im laufenden Betriebsprüfungsverfahren bestehe. Die DSGVO sei nicht auf den Bereich der harmonisierten Steuern beschränkt. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13. Januar 2020, Bundessteuerblatt (BStBl) I, 2020, 143. Hieran sei der Beklagte aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung gebunden.

Zur Begründung des Anspruchs auf Akteneinsicht werde auf den Beschluss des Finanzgerichts (FG) des Saarlandes vom 3. April 2019 – 2 K 1002/16 –, Entscheidungen der FG (EFG) 2019, 1217 verwiesen. Danach bestehe grundsätzlich seit dem Inkrafttreten der DSGVO für alle Steuerpflichtigen ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht bei der Finanzbehörde. Ein Akteneinsichtsrecht sei zwar nicht ausdrücklich in der DSGVO geregelt. Nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 DSGVO bestehe aber ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten. Dies gelte auch für Papierakten mit Informationen zu einer Zeit vor dem 25. Mai 2018 (vgl. Art. 99 Abs. 2 DSGVO). Soweit die Finanzverwaltung beim Akteneinsichtsrecht wei...

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