Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung durch Boten; Rechtsbehelfsbelehrung in Einspruchsentscheidung; Festsetzung von Verspätungszuschlägen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 122 AO lässt für die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung die nicht ausdrücklich erwähnte Möglichkeit der Übergabe des Bescheides durch einen Boten zu. Erfolgt die Übergabe durch einen Boten, ist es für den Beginn der Rechtsmittelfrist erforderlich, dass das Schriftstück derart in den Machtbereich des Bekanntgabeadressaten gelangt, dass diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich war und von diesem auch erwartet werden konnte.

2. Die Rechtsbehelfsbelehrung in den Einspruchsentscheidungen ist nicht unrichtig oder irreführend i.S. des § 55 Abs. 2 FGO, weil darin im Einleitungssatz nicht der der Einspruchsentscheidung zugrunde liegende Verwaltungsakt zusätzlich erwähnt wird.

3. Grundsätzlich ist ein Steuerberater, der zur fristgemäßen Erledigung erteilter Aufträge außerstande ist, verpflichtet durch Einstellung neuer Kräfte, Ablehnung neuer oder Rückgabe vorhandener Mandate Abhilfe zu schaffen. Mehrmalige Fristversäumnis indiziert Verschulden dann, wenn schon früher gemahnt worden ist und dem Berater bekannt ist, dass das FA auf die Einhaltung der Frist drängt. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlag ist im Grunde nach nicht zu beanstanden, wenn im Büro des Steuerberaters seit Jahren Engpässe entstehen und wenn diese für die Versäumnisse ursächlich sein sollen. Selbst erkrankungsbedingte Personalengpässe und umzugsbedingte Arbeitsengpässe des Bevollmächtigten können die Überschreitung der Abgabefrist nicht entschuldigen, wenn diese Gründe nicht rechtzeitig in einem Fristverlängerungsantrag vorgetragen werden.

4. Ein Stpfl. bzw. sein Steuerberater kann daraus, dass möglicherweise die Finanzverwaltung ihrerseits mit der Bearbeitung der Steuererklärungen im Rückstand ist, keinesfalls ein Recht auf eigenmächtige Fristüberschreitung ableiten.

 

Normenkette

AO 1977 § 122; FGO § 55 Abs. 2; AO 1977 § 152 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Körperschaftssteuer (KSt) 1995 und zu den Gewerbesteuermessbeträgen (GewSt) 1995 und 1996.

Die Klägerin (Klin) ist eine GmbH mit dem Geschäftszweck des Vertriebs von … und … aller Art für …

Für die Klin wurden die Steuererklärungen für 1992 am 4. April 1995 abgegeben, nachdem die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen am 28. Februar 1995 abgelaufen war. Die Steuererklärungen für 1993 wurden am 19. Februar 1996 abgegeben, nachdem die Frist zur Abgabe am 31.12.1995 abgelaufen war. Die Steuererklärungen für 1994 wurden am 6. Oktober 1997 abgegeben, nachdem Anträge auf Fristverlängerung über den 30. September 1996 hinaus abgelehnt worden waren und Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern ohne Erfolg blieben.

In einer Besprechung vom 6. Juli 1995 wurde im Einvernehmen des Steuerberaters mit Vertretern des Beklagten (Bekl) und der Oberfinanzdirektion … die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen für 1995 auf 30. Juni 1997 festgelegt.

Die Steuererklärungen für 1995 für die Klin wurden am 16. Juli 1998 abgegeben, nachdem Fristverlängerungsanträge vom 15. Mai 1997 bzw. 1. August 1997 vom Bekl mit Verwaltungsakt vom 14. August 1997 abgelehnt worden waren. Der Einspruch vom 21. August 1997 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 1. September 1997 zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist bestandskräftig. Die KSt wurde mit Bescheid vom 17. November 1998 auf DM … festgesetzt. Es ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von DM …

Mit Bescheid vom 1. April 1999 über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur KSt in Höhe von DM … teilte der Bekl dem Steuerberater mit, dass ein pauschaler Bezug auf Mutterschaften, Krankheiten von Mitarbeitern und Fehlleistungen der Finanzverwaltung nicht ausreichen würden, um die Säumnis zu entschuldigen. Es sei vielmehr eine nähere Darstellung der personellen Situation im Steuerbüro unter Vorlage von Arbeitsplänen für die Zeit der Säumnis notwendig. Außerdem wäre darzustellen, welche Maßnahmen getroffen worden seien, Ersatzpersonal einzustellen. Der Bekl bezog sich auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 20. Juni 1996 (14 K 41/92, EFG 1997, 259).

Mit Schreiben vom 3. Mai 1999 und 14. Juli 1999 trug der Kl-Vertreter vor, drei Steuerfachangestellte, wovon er zwei selbst ausgebildet habe, seien durch Mutterschaften ausgefallen. Der Auszubildende … sei mit der Begründung in eine andere Kanzlei, man müsse sehen, wie man wo anders arbeite. Der Auszubildende … habe nach der Prüfung zuerst ein Jahr arbeitslos machen wollen. Der Auszubildende … habe studieren wollen. Der Auszubildende … kümmere sich wegen Krankheiten in der Familie um den Betrieb der Familie. Es seien massive Maßnahmen getroffen worden, um Ersatzpersonal zu finden. Er sei seit Jahren mit dem Arbeitsamt in Kontakt, ohne eine einzige Anfrage wegen der angebotenen Stelle zu erhalten. Auch Inserate seien ohne Zuschrift geblieben. Er und d...

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