Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf Mehrheitssstimmrecht eines GmbH-Anteils unterliegt nicht der Schenkungssteuer. keine wirtschaftliche Betrachtung bei Verkehrssteuern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Verzicht auf das Mehrheitsstimmrecht eines GmbH-Gesellschafters durch Änderung des Gesellschaftsvertrages bewirkt keine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter, da es an einer substantiellen Vermögensverschiebung fehlt.

2. Die bloße Wertsteigerung eines GmbH-Anteils aufgrund des Zuwachses der Stimmkraft führt wegen fehlenden Zuflusses von Vermögenssubstanz schenkungsrechtlich nicht zu einer objektiven Bereicherung.

3. Der Zuwachs der Stimmkraft eines Gesellschaftsanteils folgt aus der Mitgliedschaft selbst und ergibt sich nicht aus einem substantiellen Vermögenstransfer, da das Stimmrecht an den Gesellschaftsteil gebunden und nicht übertragbar ist.

4. Der Umstand, dass sich der Wert einer GmbH-Beteiligung durch den Stimmrechtsverzicht eines Mitgesellschafters erhöht und insoweit bei rein wirtschaftlicher Betrachtung ein Werte-Transfer stattfindet, ist schenkungssteuerrechtlich unbeachtlich, da die wirtschaftliche Betrachtungsweise auf Verkehrssteuern nicht anwendbar ist.

 

Normenkette

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 516 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.01.2013; Aktenzeichen II R 38/11)

 

Tenor

1. Die geänderten Schenkungsteuerbescheide vom 18. Juni 2009 sowie die ursprünglichen Schenkungsteuerbescheide vom 17. und 18. Dezember 2007 in der Fassung der Bescheide vom 4. Februar 2008 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 23. Februar 2009 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein GmbH-Gesellschafter, der im Rahmen einer Änderung des Gesellschaftsvertrages auf sein bisheriges Mehrheitsstimmrecht verzichtet, eine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter bewirkt, weil deren Geschäftsanteile nunmehr Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichen und dadurch eine Werterhöhung erfahren haben.

Die Kläger sind Geschwister. Der Vater der Kläger (V) hatte im Jahr 1984 zusammen mit B die V GmbH (V GmbH) mit einem Stammkapital von 500.000 DM gegründet, wobei V 97 v.H. der Geschäftsanteile und B 3 v.H. der Geschäftsanteile hielt. Der Gesellschaftsvertrag wurde im März 1993 geändert und das Stammkapital wurde –bei unverändertem Beteiligungsverhältnis– auf 5.000.000 DM erhöht. Ferner wurde § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages wie folgt gefasst:

„Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je DM 100 … eines Anteils gewähren eine Stimme. Die von Herrn … (V) gehaltenen Geschäftsanteile gewähren jedoch unabhängig von ihrem Nennbetrag so viele Stimmen, dass die ihm zu Gebote stehenden Stimmen mindestens 51 v.H., die den anderen Gesellschaftern insgesamt zu Gebote stehenden Stimmen höchstens 49 v.H. der Gesamtstimmenzahl ausmachen. Diese Regelung gilt solange, wie Herr … (V) Gesellschafter der Gesellschaft ist.”

Im Januar 1994 übertrug V den Klägern unentgeltlich jeweils 24 v.H. der Geschäftsanteile an der V GmbH im Nominalwert von jeweils 1.200.000 DM. Die Übertragung der Geschäftsanteile wurde der Schenkungsteuer unterworfen. Bei der Bewertung wurden die Anteile als Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung behandelt und entsprechend wurde der nach der Regelbewertung nach R 97 bis 100 ErbStR ermittelte gemeine Wert gemäß R 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 8 ErbStR um einen Abschlag von 10 v.H. gekürzt.

Im Oktober 2000 erwarben die Kläger von den Erben des B jeweils 1 v.H. der Geschäftsanteile der V GmbH hinzu.

Am 6. Dezember 2000 wurde der Gesellschaftsvertrag der V GmbH neu gefasst. Die Neufassung enthielt keine Regelung mehr in Bezug auf ein Mehrstimmrecht des V. § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages lautet nun:

„Je volle EURO 500 eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. …”

Die Neufassung des Gesellschaftsvertrages erfolgte, um die Voraussetzungen einer bestehenden Betriebsaufspaltung und die personelle Verflechtung zwischen der V GmbH (Betriebsgesellschaft) und der V GmbH u Co KG (Besitz-KG) aufrecht zu erhalten. Entsprechend hat V auf die Kläger am 6. Dezember 2000 auch die Anteile an der V Verwaltungsgesellschaft mbH –der Komplementärin der Besitz-KG– übertragen.

Im Jahr 2002 übertrug V seine restlichen Geschäftsanteile an der V GmbH unentgeltlich auf die Kläger. Die Übertragung wurde der Schenkungsteuer unterworfen. Bei der Bewertung wurde berücksichtigt, dass die Anteile Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung bei der V GmbH die Auffassung, dass durch die Neufassung des Gesellschaftsvertrages am 6. Dezember 2000 eine schenkungsteuerbare Zuwendung des V an die Kläger bewirkt wurde. V habe faktisch zugunsten seiner Kinder auf sein Mehrstimmrecht verzichtet und die Stimmrechte seien dadurch wieder entsprechend dem Nennkapital verteilt. Folglich seien auf die Kläger Stimmrechte übergegangen, die zuvor nicht vorh...

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