Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines Heileurythmisten mangels Regelerstattung durch die Sozialversicherungsträger. Umsatzsteuer 1973 bis 1977, Umsatzsteuervorauszahlung I/1978

 

Leitsatz (amtlich)

Leistungen eines Heileurythmisten in den Jahren 1973 bis 1978 waren nicht umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 UStG, weil heileurythmische Behandlungen in diesen Jahren weder im gesetzlichen Leistungskatalog der Krankenkassen geführt oder als Satzungsleistungen erstattet wurden. Eine –auch häufig praktizierte– Einzelfallerstattung der Krankenkassen entfaltet umsatzsteuerlich keine Relevanz.

 

Normenkette

UStG 1973 § 4 Nr. 14

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.11.2004; Aktenzeichen V R 34/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Revisionsverfahren (Az.: V R 97/84 und Az.: V R 78/99).

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Leistungen des Klägers, eines Heileurythmisten, in den Streitjahren nach § 4 Nr. 14 steuerfrei sind.

Das Verfahren befindet sich im 2. Rechtsgang. Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der Klage I 379/80 im ersten Rechtsgang statt, weil es die Umsätze des Klägers als nach § 4 Nr. 14 Satz 1 steuerfrei beurteilte (EFG 1984, 580). Es sah die Tätigkeit des Klägers als in den wesentlichen Merkmalen mit der eines Krankengymnasten vergleichbar an. Wie dieser wende er Bewegungstherapie auf ärztliche Anordnung an und führe dabei eine Tätigkeit aus, die der Linderung von Krankheiten oder Leiden beim Menschen i. S. von § 1 Abs. 2 des Heilpraktikergesetzes diene. Entsprechend dem Zweck der Steuerbefreiungsvorschrift genüge es, wenn der Kläger Leistungen erbringe, die für den Patienten von den Trägem der Sozialversicherung bezahlt würden. Auf die Revision des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Entscheidung des Senats auf (BFH vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804). Dafür legte er dar, die Umsätze des Klägers erfüllten die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 nicht, weil er keine „ähnliche heilberufliche Tätigkeit” wie die in der Vorschrift ausdrücklich bezeichneten Berufsträger ausgeübt habe. Die gegen das erwähnte Urteil des BFH gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob das Urteil des BFH auf, weil es den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletze (BVerfG vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155). Es verwies die Sache an den BFH zurück. In der Begründung seiner Entscheidung führte das BVerfG u.a. aus, der Zweck des § 4 Nr. 14 sei allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer. Das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) verbiete eine nach der Existenz berufsrechtlicher Regelungen unterscheidende Umsatzsteuerbefreiung. Im Ergebnis sei deshalb kein sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich, dem Kläger die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 zu versagen, wenn die Leistungen eines Heileurythmisten in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden. Dies sei im erneuten fachgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Daraufhin hat der Bundesfinanzhof mit Gerichtsbescheid vom 13. April 2000 – V R 78/99 (BFH/NV 2000, 1431) das Urteil des erkennenden Senats vom 27. März 1984 – I K 379/80 mit der Feststellung aufgehoben, dass Leistungen eines Heileurythmisten durch heilberufliche Tätigkeit jedenfalls dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei seien, wenn sie ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern für den Patienten bezahlt würden und nunmehr aufzuklären sei, für welche Leistungen ihrer Art nach die Sozialversicherungsträger die Kosten tragen.

Der Kläger betreibt in selbständiger Tätigkeit die Anwendung der Heileurythmie. Es handelt sich dabei um eine Bewegungstherapie auf anthroposophisch – medizinischer Grundlage. Sie wird von Ärzten verordnet und vom Kläger unter deren Verantwortung durchgeführt. Die für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat der Kläger durch ein Studium der Eurythmie und eine besondere Ausbildung in Heileurythmie an der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaften am Goetheanum in Dornach in der Schweiz erworben.

In den Streitjahren hat er – ausweislich der vorgelegten Ausgangsrechnungen mit den Nr. 000001 bis 000486 ausnahmslos Umsätze aus heileurythmischer Tätigkeit erbracht. In 85 v. H. der Fälle – allein über 200 Einzelabrechnungen bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen – haben gesetzliche, Ersatz- und private Krankenkassen die Kosten der Behandlung durch den Kläger in den Streitjahren übernommen (Blatt 21 bis 40 d. A. und Blatt 2 bis 56 des Beihefts 1). Im gesetzlichen Leistungskatalog der Kassen war die heileurythmische Behandlung in den Jahren 1973 bis 1978 – ausweislich der Stellungnahmen der Sozialversicherungsträger im Verfassungsbeschwerdeverfahren (Beiheft 2) auf das ebenfalls Bezug genommen wird – nicht geführt. Gleichwohl haben auch ...

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